Auf Abenteuerspielplätzen können Kinder nach Herzenslust frei und selbstbestimmt mit anderen Kindern spielen. Sie hämmern, sägen, matschen, machen Feuer oder kümmern sich liebevoll um Tiere. Doch ganz ungefährdet sind diese besonderen Spielorte nicht. Eltern sind zu ängstlich, Schulen zu besitzergreifend und die Politik setzt andere Prioritäten. Ein Gespräch mit Christopher Roch vom ABA Fachverband, der sich seit vielen Jahren für Abenteuerspielplätze in NRW stark macht.
Die Beliebtheit von Abenteuerspielplätzen ist nach wie vor ungebrochen. Was macht die Faszination aus?
Christopher Roch: Im Grunde sind es doch die einfachen Dinge im Leben, für die unsere Herzen schlagen: ein sonniger Tag im Freien, zusammen am Lagerfeuer Stockbrot essen, einen Kräutergarten anlegen… Das ist für Kinder das Paradies, da können selbst Smartphone und Konsole nicht mithalten. Jeder, der mit Kindern arbeitet oder selbst welche hat, kennt die bedeutenden Unterschiede zwischen einem Tag im Freien und einem Tag in geschlossen Räumen.
Also Abenteuerspielplätze als Gegenmittel zu Smartphone und Konsole?
Abenteuerspielplätze stillen in besonderer Weise die menschlichen Bedürfnisse nach Spiel, kreativem Schaffen, Sozialität, Natur, Bewegung usw., weil sie für Kinder gedeihliche Rahmenbedingungen kombinieren: Der Umgang mit Feuer, Wasser, Erde, Luft, Holz, Eisen sowie gesunde Ernährung, pädagogisches Fachpersonal, Freiwilligkeit und Partizipation sind nur einige Schlagworte. Trotzdem sollten auch digitale Medien, Schulunterricht und Häuslichkeit einen festen Platz im Leben von Kindern haben; es kommt allerdings auf die richtige Dosis an.
Obwohl Eltern Abenteuerspielplätze gut finden, halten immer weniger die damit verbundenen Risiken (bspw. den Umgang mit Werkzeugen oder Feuer) aus und begleiten ihre Kinder sicherheitshalber beim Spielen auf Schritt und Tritt. Was hältst du von dieser Entwicklung?
Fest steht: Kinder können nur lernen, mit Risiko umzugehen, wenn sie einem gewissen Risiko ausgesetzt sind. Wir müssen Eltern stärken, indem wir ihnen diese simple Botschaft vermitteln. Ich halte das für eine machbare Frage von Öffentlichkeitsarbeit.
Gleichzeitig finde ich es nachvollziehbar, dass Eltern zum Teil sehr unsicher sind, weil ihnen grundlegende Orientierungspunkte fehlen. Wer sagt mir, was das Beste für mein Kind ist? Wenn ich an die tausend Elternratgeber, an Millionen Google-Ergebnisse und gut gemeinte Ratschläge von Dritten denke, wird mir schlecht! Eltern müssen lernen, ihr Herz und ihren Verstand in ein kluges Gleichgewicht zu bringen und auf ihr eigenes Inneres zu hören. Das ist nicht so einfach. Außerdem glaube ich, dass auf vielen Eltern ein unheimlicher Druck lastet, Familie, Beruf und persönliches Glück unter einen Hut zu bekommen. Da denken viele, ihr Kind in Watte zu packen würde möglichst wenig Probleme verursachen. Dies ist allerdings ein Trugschluss.
Manche Abenteuerspielplätze haben mittlerweile elternfreie Zonen eingerichtet. Warum ist es so wichtig für Kinder Erfahrungen „unter sich“ zu machen?
Die Erfahrungen, die Kinder und Jugendliche in Gruppen „unter sich“, also zusammen mit anderen Kindern und Jugendlichen machen, sind prägende Lebenserfahrungen. Wir alle wollen, dass unsere Kinder zu eigenständigen und starken Persönlichkeiten heranreifen. Das gelingt nicht am Rockzipfel der Eltern, sondern nur in einem ausgewogenen Rahmen von elterlicher und erwachsener Fürsorge sowie selbstständiger Erprobung. Offene Kinder- und Jugendarbeit schafft Freiräume für diese Erprobung, weil wir wahrnehmen, dass das Leben von jungen Menschen zunehmend verregelt wird.
Das heißt auch, Kindern bleibt unter der Woche kaum Zeit, einen Abenteuerspielplatz zu besuchen?
Klar, wenn Kinder und Jugendliche bis nachmittags in der Schule sind, haben sie tendenziell weniger Lust, danach noch irgendwo hinzugehen. Daher werden auch Kooperationen mit Schulen diskutiert und praktiziert, um es dennoch vielen Kindern zu ermöglichen frei und selbstbestimmt zu spielen und sich auszuprobieren.
Das ist allerdings nicht ganz unproblematisch. Denn das System Schule neigt dazu, seine Arbeitsprinzipien auf seine Kooperationspartner zu übertragen: Leistungs- und Ergebnisorientierung, Anwesenheitspflicht und vorgegebene Lerninhalte. Offene Einrichtungen sind hingegen prozessorientiert und möchten jungen Menschen Gelegenheit zur Mitgestaltung geben. Das Verhältnis vor Jugendarbeit und Schule ist daher nicht selten konfliktbeladen oder unausgewogen.
Die meisten der Abenteuerspielplätze sind mindestens 30 Jahre alt. Neue Plätze werden nicht geschaffen. Woran liegt das?
Der Bedarf ist eigentlich immens, auch weil Flächen und Räume vor Ort immer stärker für Verkehr, Wohnen und Wirtschaft genutzt werden. Abenteuerspielplätze sind allerdings öffentliche Einrichtungen, die nur existieren können, wenn die jeweilige Kommune ordentlich viel Geld dafür zur Verfügung stellt. Wie wir wissen, steht es um die Finanzen vieler Städte sehr schlecht. Wer kennt ihn nicht, den Satz „Die Stadt hat kein Geld!“? Und wohin fließt das Geld größtenteils? In den Ausbau formaler Bildungseinrichtungen, wie KiTa und Schule. Politik will einen Rahmen schaffen, in dem Eltern ihren Beruf nachgehen können und junge Menschen verpflichtend betreut werden. Die Einrichtungen der nonformalen Bildung – wie der Offenen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen – leiden darunter. Seit 1998 haben sich die Vollzeitstellen in der Kinder- und Jugendarbeit nahezu halbiert. Es ist schwer, Öffentlichkeit und Politik davon zu überzeugen, dass nonformale Bildungsinstitutionen mindestens genauso nützlich sind wie die formalen.
Es scheint, der Bedarf ist groß, die Politik setzt jedoch andere Prioritäten. Wie kann es trotzdem gelingen, die Existenz von Abenteuerspielplätzen langfristig zu sichern?
Wir brauchen lokale Akteure, die die Abenteuerspielplatz-Skeptiker überzeugen und Abenteuerspielplatz-Befürworter organisieren. Dies gelingt in meinen Augen durch eine strategische Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit. Teams von Abenteuerspielplätzen und Offenen Einrichtungen insgesamt müssen sich in meinen Augen auch Zeit für diese Arbeit nehmen. Wir als Dachverband für Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen in NRW können das unterstützen und sind dankbar, wenn Abenteuerspielplätze Kontakt zu uns aufnehmen.
Perspektivisch möchten wir mit interessierten Einrichtungen Strategien entwickeln, um ihren Bestand zu sichern und ihre Ausstattung zu stärken. Das sind allerdings Fragen, die nur auf lange Sicht bearbeitet werden können. Aktuell haben wir anlässlich der Landtagswahl in NRW als Teil der AGOT-NRW Materialien zur Öffentlichkeitsarbeit erstellt. Darüber hinaus kann man uns in allen Fragen immer auch kurzfristig kontaktieren. Wir sind ein kleiner Verband und kennen daher nicht immer „die Lösung“. Aber wir sind gut vernetzt und kennen meist jemanden, der weiterhelfen kann.
Vielen Dank, Christopher, für das offene und ehrliche Gespräch. Wir wünschen euch viel Erfolg und gutes Gelingen.
Wenn Ihr Angebot auch in der Abenteuerspielplatz-Karte des ABA Fachverbands aufgenommen werden soll, nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.
Christopher Roch ist Bildungsreferent beim ABA Fachverband e.V. und einer der stellvertretenden Vorsitzenden der AGOT-NRW e.V. Als Diplom-Sozialwissenschaftler verfügt er u.a. über langjährige Erfahrung in der selbstverwalteten Offenen Kinder- und Jugendarbeit.
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