Kinder spielen überall – nicht nur auf Spielplätzen. Und oft haben sie sogar mehr Spaß an inoffiziellen Spielorten. Sind konventionelle Spielplätze zu langweilig? Wenn ja, warum und wie lässt sich das ändern?

Heiner Baumgarten, Präsident der GALK

Ein Gespräch mit Heiner Baumgarten, langjähriger Präsident der Gartenamtsleiterkonferenz (GALK), über die Gründe für langweilige Spielplätze, über die Idee einer bespielbaren Stadt und darüber, wie durch mehr Kreativität und Risikobereitschaft spannendere Spielorte entstehen könnten. Übrigens auch sehr mit der Mithilfe aller Eltern!!!

Herr Baumgarten, warum sind Spielplätze oft so langweilig?

Baumgarten: Die Langeweile auf Spielplätzen hat zwei Hauptursachen. Einmal die Verpflichtung, Kinderspielplätze nach ganz bestimmten Sicherheitsstandards zu gestalten. Das heißt also, bestimmte Angebote sind auf öffentlichen Spielplätzen nicht realisierbar, wenn ich keine Risiken eingehen will.

Und wenn ein Planer mit ein bisschen Fantasie und Kreativität an den Spielplatz herangeht und zum Beispiel große Felsen oder Steine einbaut, kommt als erstes die Frage nach dem Risiko: Was ist, wenn Jugendliche Bierflaschen auf den Steinen zerdeppern? Einen solchen erhöhten Kontroll- und Pflegeaufwand können Ämter häufig nicht leisten, weil das Geld fehlt. Diese Diskussionen führen dazu, dass viele Städte nur noch auf Nummer sicher gehen. Langweilige Spielplätze sind das Ergebnis.

Wenn Kinder überall spielen, brauchen wir Spielplätze dann überhaupt?

Kein Kind hält sich an die Grenzen des Spielplatzes. Viele Menschen denken ja immer noch, dass sie territorial alles regeln können: Es wird ein Spielplatz ausgewiesen und schwupp gehen alle Kinder zum Spielplatz. Tun sie ja nicht. Sondern sie spielen überall. Dennoch sind Spielplätze enorm wichtig. Denn Kinder brauchen adäquate Räume, in denen sie mit anderen Kindern sicher spielen können. Aber natürlich nutzen Kinder und Jugendliche auch die Stadt als Spielort. Und wir müssen uns natürlich fragen, welche Bedürfnisse stecken dahinter, wenn Kinder und Jugendliche Orte abseits von ausgewiesenen Spielflächen aufsuchen.

Sollten wir deshalb inoffiziellen Spielräumen in den Städten mehr Aufmerksamkeit schenken?

Unbedingt. Es gibt bisher nicht genügend Erfahrungen bzw. Handreichungen, wie man solche Räume ganz bewusst so gestaltet, dass sie den Bewegungs- und Rückzugsbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen entsprechen und gefahrlos erreicht und genutzt werden können. Es geht auch darum, Flächen für Kinder und Jugendliche zu entdecken, die vielleicht „leer“ sind, aber gute Aktivitäten oder Rückzugsmöglichkeiten bieten.

Um solche Spielräume in der Stadt zu sichern und sinnvoll zu organisieren, braucht es viel Know-how. Hier ist die Zusammenarbeit von Eltern, Planern, Pädagogen und Kinderpsychologen erforderlich.

Kinder spielen überall. Auch auf bespielbarem Stadtmobiliar im „Quartier am Turm“ in Heidelberg, Foto: Planungsbüro Stadt-Kinder

Ist das Konzept der „bespielbaren Stadt“ eine Möglichkeit kreativer und risikofreudiger zu arbeiten?

Teilweise schon. Da die Spielräume bzw. –flächen keine offiziellen Spielplätze sind, unterliegen sie nicht den rechtlichen Spielplatznormen. So kann auch mal was zugelassen werden, was auf Spielplätzen Diskussionen auslösen würde. Liegt im Park ein Felsen oder steht dort ein Baum, den man beklettern kann oder ein Stamm zum Balancieren, kann das alles problemlos sein.

Ihr „Arbeitskreis Spielen“ befasst sich mit der Stadt als Spielraum…

Ja. Unser „Arbeitskreis Spielen“ hat den Fokus seiner Arbeit auf die „bespielbare Stadt“ gelegt und befasst sich schon seit einiger Zeit schwerpunktmäßig damit. Ziel ist es, in enger Zusammenarbeit mit der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau, einen fachlichen Standard zum Thema „bespielbare Stadt“ zu entwickeln.


Die Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) gibt es seit 1957. In ihr sind ca. 300 Städte und Gemeinden zusammengeschlossen. Die GALK befasst sich mit allen Bereichen der Grünflächenentwicklung und –pflege. Auf Landes- und Bundes-GALK-Treffen tauschen sich die Leiter kommunaler Naturschutz- und Grünflächenämter und vergleichbare kommunale Institutionen aus. Die wichtigste Arbeit wird in den Arbeitskreisen zu den unterschiedlichsten Themen geleistet, wo ein intensiver Expertenaustausch ermöglicht wird. Der „Arbeitskreis Spielen“ vereint aktuell sieben Spielplatz-Experten aus unterschiedlichen Kommunen.


Würden Sie sagen, wenn die Betreiber risikobereiter wären, würde Spielplätze attraktiver werden?

Ich denke schon und ich halte das auch für wichtig. Grundsätzlich sollte eine neue Balance zwischen Risiko und Sicherheit gesucht und gefunden werden. Man kann nicht für teueres Geld Spielplätze bauen, die dann kaum genutzt werden, weil sie unattraktiv sind.

Die Spielplätze müssen so attraktiv gestaltet sein – und das heißt auch gewisse Risiken zuzulassen – dass die Kinder Spaß haben und den Bewegungsbedürfnissen von Kindern wieder mehr Rechnung getragen wird. Auch wenn das bedeutet, dass sich mit einem attraktiveren Spielraum der Aufwand erhöhen wird, um die Fläche zu pflegen, zu begleiten und zu kontrollieren.

Wer in den Kletterwald will, muss erstmal diesen Holzstamm überwinden. Foto: Bechert, Stadt Nürnberg

Warum gehen so viele Spielplatzbetreiber auf Nummer sicher?

Als Betreiber eines Spielplatzes muss man Risiken abschätzen und bereit sein, die Risiken zu tragen und zum Beispiel auch vor Eltern zu vertreten. Und das ist nicht immer einfach. Denn leider sind es oft die Eltern, die nicht bereit sind, Risiken zu akzeptieren. Und da ist der Konflikt. Deshalb ist es eben nicht damit getan, die Verantwortung allein bei den Spielplatzbetreibern zu sehen.  Eine gesellschaftliche Diskussion darüber ist erforderlich, nicht nur bei uns in den Ämtern.

Sie meinen, die Diskussion um das Risiko auf Spielplätzen beginnt bei uns Eltern?

Ja. Leider müssen wir feststellen, dass die Gesellschaft inzwischen sehr klagebereit ist. Passiert ein Unfall auf dem Spielplatz, werden gerne sofort rechtliche Schritte eingeleitet. Es wird gar nicht mehr gefragt, ob bei der Benutzung einer ganz normalen Rutsche nicht sowieso ein Risiko besteht herunter zu fallen. Vor allem dann, wenn man sie nicht so benutzt, wie es eigentlich vorgesehen ist. Schnell wird die Schuld dann beim Hersteller oder beim Betreiber gesucht, anstatt das eigene Verhalten oder das des Kindes zu sehen.

Man passt im Straßenverkehr ja auch die Fahrweise den Verkehrsverhältnissen an. Also hab ich als Spielplatznutzer auch mein Verhalten dem Angebot anzupassen. Dass der Benutzer, der wild herumtobt als unbeschädigter Mensch wieder vom Spielplatz geht, kann man nicht immer erwarten.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Planer sollten aufhören, Spielplätze aus dem Katalog zusammenzustellen. Vielmehr sollten Bewegungs- und Spielabläufe konzipiert werden und – ganz wichtig – die Nutzer sollten in Beteiligungsverfahren gefragt werden, was sie brauchen und wollen. Letzteres ist auf einem guten Weg. Wir beobachten, dass mittlerweile viele Städte und Kommunen Kinder, Jugendliche und Anwohner vor Ort in die Spielplatz-Planungen mit einbeziehen. Das führt nicht zuletzt zu einer höheren Akzeptanz der fertigen Spielangebote, mehr Spielfreude und weniger Vandalismus.

Das lässt sich übrigens besonders gut unterstützen, indem man interaktive Medien, wie beispielsweise Ihre Plattform, einsetzt, um das Feedback der Nutzer mit einzubeziehen. So gelingt es in der Arbeit der Grünflächenämter, auf Meinungen und Wünsche der Spielplatznutzer einzugehen.

 Vielen Dank, Herr Baumgarten, für dieses aufschlussreiche Gespräch.


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