Morsche Bretter, gesperrte oder abgebaute Spielgeräte, für die monatelang kein Ersatz beschafft wird… das gibt es nach wie vor sehr häufig. Obwohl Städte besonders gerne damit werben, kinder- und familienfreundlich zu sein, erwecken gerade Spielplätze oft den Eindruck, als würde hier viel zu wenig getan werden. Woran liegt das?
Ein Gespräch mit Heiner Baumgarten über Spielplätze als „freiwillige Aufgabe“, desinteressierte Politiker, leere Kassen, jammernde Gartenamtsleiter, Personalmangel und über Eltern, die nicht nur kritisieren, sondern gerne selbst handeln sollten.
Als langjähriger Präsident der Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) arbeitet Heiner Baumgarten eng mit den Spielplatz-Verantwortlichen in den Städten zusammen und weiß, dass die Situation nicht ganz einfach ist.
Foto: Heiner Baumgarten, Präsident der GALK
Herr Baumgarten warum werden so viele Spielplätze in Deutschland nicht in Schuss gehalten obwohl Orte für Kinder uns doch eigentlich besonders am Herzen liegen müssten?
Baumgarten: Meine Erfahrung ist, dass die verantwortlichen Mitarbeiter in den Grünflächenämtern in der Regel sehr wohl um ihre Zuständigkeit wissen und sich intensiv kümmern, um einen Spielplatz zu pflegen und entsprechende Maßnahmen zu treffen, wenn Mängel auftreten. Die personellen Kapazitäten sind in den meisten Städten jedoch zu gering, um die Sicherheit und Sauberkeit stets zu gewährleisten. Das Kernproblem ist also letztendlich die finanzielle Notlage in den Ämtern.
Grundsätzlich sollten Politiker verstehen, dass mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss, damit Mängel zeitnah beseitigt werden können und es muss genügend Personal da sein, um die Pflege und die Kontrolle auch tatsächlich zeitnah durchführen zu können. Viele Stellen wurden in den letzten Jahren gestrichen oder werden nicht wieder neu besetzt.
Warum werden Spielplätze finanziell nicht besser ausgestattet?
Das hat einen einfachen Grund: Das Öffentliche Grün, dem in den meisten Städten die Spielplätze zugeordnet sind, wird immer noch als „freiwillige Aufgabe“ angesehen und nicht als eine Verpflichtung zur Sicherung von Freizeitangeboten.
„Freiwillig“ heißt, die Städte sind, anders als bei Sozialleistungen, nicht gesetzlich verpflichtet, die Ausgaben für Spielplätze auf einem bestimmten finanziellen Standard zu halten. Klar, dass dann dort zuerst gespart wird.
Das heißt, zu allererst muss die Politik den Rahmen dafür schaffen, dass die Grünflächenämter finanziell vernünftig ausgestattet sind und ihre Arbeit fachlich qualifiziert machen können. Denn es geht letzten Endes um die Gesundheit der Kinder, die durch mangelnde Pflege und Sicherheit auf Spielplätzen gefährdet sein könnte.
Nehmen Sie Politiker in die Verantwortung?
Wir versuchen immer wieder Politiker über unseren „Arbeitskreis Spielen“ in der GALK direkt anzusprechen und mit ihnen über diese Themen zu diskutieren. Es ist allerdings schwierig, Politiker auf der Bundesebene mit dem Thema Spielplatz zu erreichen, denn die Spielplätze sind eine kommunale Aufgabe. Ich finde also keinen Bundespolitiker, der sich davon angesprochen fühlt. Er macht dann eher allgemeine Ausführungen oder formuliert auch forsche Forderungen, da sie ihn nicht direkt in seiner Verantwortung betreffen.
Dazu passt auch die offizielle Antwort des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf meine Interview-Anfrage an die Ministerin Kristina Schröder:
„Frau Schröder ist eine interessierte Familienministerin, die zu diversen Themen eine Meinung hat, diese aber nicht zwingend mitteilen muss. Vor allem dann nicht, wenn Frau Schröder keine Möglichkeit des Handelns sieht. Ihre Politik ist es nicht, bloß auf mögliche Missstände hinzuweisen ohne selbst etwas dagegen tun zu können. Und hier liegt die Zuständigkeit nun einmal eindeutig bei den Kommunen, daher sind diese auch die geeigneten Ansprechpartner für Ihre Fragen.“ (Marc Kinert, Leiter des Pressereferats, 09/12)
Was tut die GALK für bessere Spielplätze?
Wir versuchen den Kolleginnen und Kollegen in den Grünflächenämtern in erster Linie fachliche Argumentationshilfen an die Hand zu geben. Ganz konkret: Im „Arbeitskreis Spielen“ diskutieren wir verschiedene inhaltliche Schwerpunkte und erarbeiten daraus Positionspapiere, die dann die Meinung bzw. Haltung der Führungskräfte in den Grünflächenämtern zu aktuellen Themen der kommunalen Politik widerspiegeln. Diese Papiere werden dann im Deutschen Städtetag vorgestellt und gelangen von dort in die Verwaltungsspitzen der Städte.
Auf diese Weise leisten wir durch unsere Arbeit direkte Schützenhilfe, auch über die Kompetenz, die der Deutsche Städtetag ausstrahlt, so dass auch Nichtfachleuten deutlich wird, was gefordert und sichergestellt werden muss. Das ist wichtig, denn viele Kollegen in den Städten haben das Problem, dass sie oft mit ihren Sorgen nicht ernst genommen werden. Sie hören oft: „Ach ja, jetzt jammert er wieder und will Geld oder neues Personal haben.“
Die Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) gibt es seit 1957. In ihr sind ca. 300 Städte und Gemeinden zusammengeschlossen. Die GALK befasst sich mit allen Bereichen der Grünflächenentwicklung und –pflege. Auf Landes- und Bundes-GALK-Treffen tauschen sich die Leiter kommunaler Naturschutz- und Grünflächenämter und vergleichbare kommunale Institutionen aus. Die wichtigste Arbeit wird in den Arbeitskreisen zu den unterschiedlichsten Themen geleistet, wo ein intensiver Expertenaustausch ermöglicht wird. Der „Arbeitskreis Spielen“ vereint aktuell sieben Spielplatz-Experten aus unterschiedlichen Kommunen.
Wie kann es den Verantwortlichen gelingen die Spielplatzlandschaft zu verbessern?
Ganz entscheidend ist, dass sich Städte und Kommunen davon lösen, für jede Einzelfläche zu denken. Eine strategische Planung und eine Konzeption für Spielplätze in der gesamten Stadt bzw. Kommune ist wichtig, um auf Änderungen in der Bevölkerungsstruktur flexibel reagieren und die vorhandenen Mittel gezielter und wirkungsvoller einsetzen zu können.
Es lohnt sich für jede Stadt zu überlegen, eine solche Planung aufzustellen, die entsprechend der jeweiligen Sozial- oder Altersstruktur ein Spielangebot anpasst. Eine systematische Bestandsaufnahme und eine Spielleitplanung wird immer noch zu wenig gemacht, auch wenn diesbezüglich das Umdenken bereits eingesetzt hat.
DANN HAT MAN DAS GEMEINSAM ERLEDIGT. BASTA.
Georg Müller, von der Stadt Lemgo, sieht die Förderung bürgerlichen Engagements als Chance – auch für den Erhalt von Spielplätzen.
Foto: Spielplatz Schillerstraße in Lemgo /©spielplatztreff.de
Was können Eltern tun wenn sie mit der Spielplatz-Situation in ihrer Stadt unzufrieden sind?
Eltern sollten in einer solchen Situation das Gespräch mit der Leitung des Grünflächenamtes suchen und gemeinsam über Verbesserungen diskutieren. Denn Kritik allein ändert noch nichts – gemeinsame Ideen, Planungen und Aktionen führen auch oft zur besseren politischen und finanziellen Unterstützung.
Titel-Foto: So ein altes Spielplatzschild kann schon viel über den Zustand eines Spielplatzes verraten. Foto: ©spielplatztreff.de
Vielen Dank, Herr Baumgarten, für dieses Gespräch.
So ist es bei uns in Herne Wanne-Eickel auch. Die Spielplätze verkommen und die Stadt haut uns bei jeder Gelegenheit Knüppel in die Beine und stoppt alles was wir in Eigenarbeit zur Verbesserung der Spielplätze planen.
Erst sind sie immer ganz begeistert und kurz bevor wir loslegen wollen kommt das „Nein“.
Aber wir werden nicht aufgeben.
LG Dani
Danke für dieses Interview, Bettina! @Dani. Ja, genau – nicht aufgeben! Und im Vorfeld von Wahlen schon gleich dreimal nicht. Wenden Sie sich an die örtlichen Spielplatzpaten. Wenn es noch keine gibt, gründen Sie welche. Hier in NRW haben wir sogar einen Verband, in dem Spielplatzpaten organisiert sind. http://www.aba-fachverband.org/index.php?id=642. Eigeninitiative ist angesagt. Und nicht aufgeben. Vor allem: Gute Pressearbeit und sich vor Ort vernetzen. Nur gemeinsam kann man da etwas machen. Viel Erfolg!
@Nicola Hengst-Gohlke- nein Aufgeben werden wir nicht ! Und vielen Dank für den Tipp.
Zitat: bei jeder Gelegenheit Knüppel in die Beine …
Ja, das Gefuehl haben wir auch in regelmaesigen Abstaenden. Es macht es einfacher zu ertrgen wenn mann sieht, dass unsere Probleme die gleichen sind wie an vielen anderen Stellen auch. Man muss einfach mehr daran arbeiten die Politik auf das Thema zu sensibilisieren. Ueberall wird von Nachhaltigkeit gesprochen, aber bei Spelplaetzen kommt das leider oft zu spaet. Ist der Zusatand erst einmal kritisch, wird dann schnell ueberlegt ob ein Spielplatz an dieser Stelle ueberhaubt sinnvoll ist …
In diesem Sinne
Im neunten Jahr bin ich nun in NRW für zwei Spielplätze als Spielplatzpatin tätig. Zwischendurch habe ich außerdem ein Sozialpädagogik-Studium vor einem Jahr zum Abschluss gebracht, sodass ich an dieser Stelle aus drei Positionen heraus berichten kann. Zum Einen bin ich Mutter eines Jugendlichen, der noch vor 12 Jahren selbst auf Spielplätzen gespielt hat, zum Anderen Spielplatzpatin. Als Pädagogin würde ich hier am ehesten meine Meinung kundtun.
1.) Im Zuge der Ganztagsoffensive NRW hat sich im Bereich der Grundschulen in den letzten 8 Jahren ein erheblicher Wandel hinsichtlich der frei verfügbaren Freizeit für Grundschulkinder, also zwischen 5 und ca 11 Jahren , entwickelt.
2.) Oftmals nutzen, meist Mütter, nachmittags die sparsame Freizeit der Kinder, um sie im Auto zu den skurrilsten „Förderprogrammen“ im Auto hinzukarren, um sie ja auf den ach so gewünschten gymnasialen Bildungszweig vorzubereiten: Klavier, Turnen, Tennis, Malkurs etc.
3.) Laut Kim-Studie des Mpfs, einer anerkannten Studie über die verschiedensten Mediennutzungsgewohnheiten der Kinder, die regelmäßig seit vielen Jahren neu aufgelegt wird, ist, wie jeder weiß, eine Zunahme der Nutzung von PC und vor allem Smartphones zu beobachten. Auch das braucht Zeit, und vor allem macht es Spaß. Facebook darf ein Kind ab 13 Jahren nutzen, viele Eltern tolerieren aber schon einen viel früheren Gebrauch, weil es alle in der Clique tun. Also, damit sind die sozialen Netzwerke, die früher im Sandkasten oder an der Tischtennisplatte intensiviert wurden in den virtuellen Raum verlegt wurden
4.) Als Folge dieser Entwicklung hat Neil Postman in seinem wissenschaftlichen Buch schon 1983 „Das Verschwinden der Kindheit“ heraufbeschworen. Eine Verinselung der Kindheit, nämlich in den Institutionen der „Bildung“, im heimischen Kinderzimmer und nicht zuletzt im Mama-Taxi, in dem auch noch die „Transportzeiten“ des Kindes mit Gameboy verdaddelt werden.
So ist die Zeit… und die Alte wird nie wiederkehren. Ich bin aufgrund der Entwicklungen der letzten ca. 10 Jahre der Ansicht, dass die nicht besuchten Spielplätze vielleicht eher einem moderneren gemeinwesenorientierten Zweck überführt werden sollen. Zum Beispiel beobachte ich mit Interesse und Zuversicht die sog. „Urban Gardening“-Bewegung. Auf den dann brachliegenden Grünflächen könnte man mit begleitender sozialpädagogischer Betreuung prima ein generationenübergreifendes, dauerhaftes und nachhaltiges Angebot schaffen, dass noch mehr Bevölkerungsgruppen zum Mitmachen anlocken würde. Auch Jugendliche interessieren sich für solchen Dinge.
Ich glaube, dass herkömmliche Spielplätze, und damit meine ich die tollen High-Tech- UND die ganz normalen Schaukel-Rutsche-Wippe-Spielplätze nicht mehr zukunftsorientiert sind. Wir leben in individualisierten Gesellschaften und machen unser Ding. Auch wenn Kinder und Jugendliche natürlich Bewegung brauchen. Ich denke, da sind viel eher die Bildungsinstitutionen wie Kita und Schulen gefragt, viele Angebote in der Hinsicht in den Alltag einzubauen. Arbeitende Mütter, auch das ist ja so gewollt, haben doch nach dem anstrengenden Arbeitstag, meist mit Doppelbelastung Arbeit-Haushalt, keinen Bock mehr am späten Nachmittag mit den müden Kindern auf dem Spielplatz rumzusitzen.