Spielplätze sind wichtig, keine Frage. Dennoch spielen und treffen sich Kinder und Jugendliche auch an anderen Orten. Deshalb sollte das gesamte Wohnumfeld als Spielraum begriffen und erfahrbar gemacht werden. Wie kann das gelingen? Christina Hüls, Dipl.-Ing. Stadtplanerin im Planungsbüro STADTKINDER in Dortmund, hat Ideen dazu.
Christina Hüls, Dipl.-Ing. Stadtplanerin im Planungsbüro STADTKINDER in Dortmund, unterstützt Städte und Kommunen, eine vernetzte Sicht auf Spielplätze und zusätzliche Spielräume zu entdecken. Dafür geht sie unter anderem auch mit Kindern und Jugendlichen auf Streifzüge durch die Stadt und lässt sich Lieblingsorte oder Konflikträume zeigen. Das Planungsbüro Stadt-Kinder agiert in den Handlungsfeldern Familienfreundliche Stadtplanung, Die Spielleitplanung wurde vom Planungsbüro Stadt-Kinder mit entwickelt und wird bundesweit angewendet.
Frau Hüls, was ist für Sie ein guter Spielplatz?
Hüls: Ein guter Spielplatz ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sich Kinder dort gerne aufhalten und viel erleben und sich beschäftigen können. Ob das ein klassischer Spielplatz ist oder eine spannende Brachfläche, ein kleiner Bach mit seinen Uferbereichen oder aber ein Platz in der Innenstadt, auf dem Kinder auf Mauern balancieren … ganz egal. Wichtig ist, dass Kinder dort Spaß haben und etwas erleben können.
Worauf sollten Spielraum-Planer bei der Gestaltung von Spielplätzen besonders achten?
Die besondere Herausforderung für alle, die sich in einer Kommune mit Spielplätzen beschäftigen, ist, Kinder zum Bewegen und Entdecken anzuregen. Nur die Herstellerkataloge zu wälzen und zu schauen, was ich für das vorhandene Geld bekomme, ist eben nicht alles. Dies führt schnell zu einer gewissen Eintönigkeit.
Bei der Gestaltung von Spielplätzen in einer Stadt gilt: Die Mischung macht‘s! Es kommt auf ein System von unterschiedlichen Spielplätzen an. Wenn in einem Wohnquartier alle Spielplätze aus dem klassischen Holzturm, der silbernen Rutsche und einer Doppelschaukel bestehen, hören wir von Kindern immer wieder: „Warum soll ich auf verschiedene Spielplätze gehen. Die sind doch eh alle gleich! Wenn ich einen kenne, kenne ich alle! Das ist ziemlich langweilig!“ Aber ein System von unterschiedlich ausgestatteten Spielplätzen, die sich an verschiedene Altersgruppen richten können, bietet Abwechslung, Erlebnisvielfalt und regt vor allem die Kreativität von Kindern an.
Sie nehmen bei Ihrer Arbeit nicht einzelne Spielplätze in den Fokus, sondern vernetzte Spielräume. Wie ist das zu verstehen?
Kinder spielen auf viel mehr Flächen als auf Spielplätzen. Es gibt zahlreiche andere Bereiche in denen sie unterwegs sind und wo sie sich aufhalten. Spielplätze spielen meist eine untergeordnete Rolle. Aus diesem Blickwinkel heraus muss eben die ganze Stadt als Spielraum betrachtet werden und nicht nur die vereinzelten Spielplätze. Wichtig sind vor allem gut vernetzte Spielräume unterschiedlichster Kategorien und die Möglichkeit, diese gefahrlos und gut zu erreichen.
Dies ist auch der grundlegende Gedanke der Spielleitplanung. Es geht bei diesem Verfahren um die Betrachtung aller Spiel-, Erlebnis- und Aufenthaltsräume in einer Gemeinde, also nicht nur Spielplätze. Dabei steht nicht nur die Gestaltung einzelner Flächen im Vordergrund, sondern vor allem auch die Sicherung. Spielplätze, die nicht mehr benötigt werden, können zwar abgebaut werden, aber die Fläche muss als Spielraum erhalten bleiben und darf nicht zu Bauland umgewidmet werden.
Wo gibt es denn alternative Spielräume in der Stadt?
Spielanreize finden sich für Kinder oftmals im Vorbeigehen. Die kleinen Mäuerchen, über die balanciert werden können, Zäune, über die geklettert wird, Poller, über die gesprungen werden, das Stadtmobiliar bietet vielfältige Anreize. Der Hauseingangsbereich oder das direkte Wohnumfeld spielen vor allem für jüngere Kinder eine große Rolle. Auch Garagenhöfe, Brachen, Schulhöfe, Sport- und Bewegungsflächen, Plätze oder Grünflächen sind Orte, an denen sich Kinder aufhalten und die für sie eine sehr hohe Bedeutung haben.
Wichtig dabei ist, diese Mehrfachnutzung zu bedenken und auch mit Kreativität an die Konzeption dieser Sachen heran zu gehen. Eine Einfassung eines Baumes muss nicht immer eine Mauer mit gerader Oberfläche sein. Warum kann dies nicht auch mal in Wellenform errichtet werden? Kann ein Brunnen oder eine Skulptur nicht auch so geschaffen werden, dass sie zum Spielen einladen?
Sind solche Maßnahmen vereinbar mit den strengen Sicherheitsvorschriften für Spielplätze?
Entscheidend ist, dass bei Planungen das für Kinder unkalkulierbare Risiko ausgeschlossen wird. Wir müssen aber Kinder nicht immer in Watte packen und vor allem Unheil behüten. So steht zum Beispiel in der DIN 18034 „Spielplätze und Freiräume zum Spielen- Anforderungen für Planung, Bau und Betrieb“, dass zum Spielen auch das Bestehen von Risiken gehört. Kinder lernen vor allem durch Erfahrung und das ist ein wichtiger Aspekt.
Sie führen im Auftrag von Städten und Kommunen Spielraumplanung durch. Wie gehen Sie dabei vor?
Natürlich können wir Planer uns Städte auf der Karte und „live“ ansehen und verorten, wo Spielplätze, Sportflächen oder Grünbereiche sind. Dies ist Bestandteil unserer Arbeit. Das Entscheidende ist aber die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, die vor Ort wohnen. Sie kennen sich dort aus, können berichten, wo sie sich aufhalten, was ihnen gut gefällt, wo es Probleme oder Angsträume gibt oder was sie sich für ihre Stadt wünschen. Nur so können wir die wahren Bedürfnisse erkennen und ganz konkrete Handlungsempfehlungen erarbeiten. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sensibel auch junge Kinder Räume wahrnehmen und was sie für konkrete und vor allem kreative Handlungsansätze erarbeiten. Da können wir Erwachsenen immer viel lernen.
Kinder und Jugendliche sind, aus Ihrer Sicht, die wahren Experten. Wie stellen Sie sicher, dass Sie diese tatsächlich erreichen und das „Experten“-Wissen abrufen?
Kinder und Jugendliche können nicht über die klassischen Formen der Bürgerbeteiligung erreicht werden. Es bedarf einer gezielten und vor allem kinder- und jugendgerechten Ansprache. Generell wählen wir verschiedene Beteiligungsformen, um Kinder und Jugendliche einzubeziehen. Streifzüge durch die Stadt, bei denen uns die Kinder und Jugendlichen Lieblingsorte oder Konflikträume zeigen, sind eine Methode. Fragebögen oder verschiedene Werkstätten bieten des Weiteren die Chance, unterschiedliche Kinder und Jugendliche einzubeziehen. Gerade wenn es um die Gestaltung von Spielflächen geht, ist der Modellbau ein zentraler Bestandteil. Dreidimensionale Dinge zeichnerisch darzustellen ist nicht nur für uns Erwachsene schwierig. Dadurch, dass in Modellen plastisch gearbeitet wird, entstehen sehr kreative Ansätze. Aber auch im generationsübergreifenden Dialog entstehen immer wieder sehr gute Ideen und Handlungsspielräume.
Und was passiert mit den gesammelten Rückmeldungen und Ideen?
Die Anregungen fließen immer in unsere alltägliche Arbeit ein und qualifizieren die Konzepte und Entwürfe. Natürlich lassen sich nicht alle Ideen 1:1 umsetzen, aber vielfach geht es um den Gedanken, der dahinter steckt. Wird sich ein Riesenrad gewünscht, ist häufig das Thema „Die schöne Aussicht genießen“ der treibende Gedanke der Kinder. Dies nehmen wir dann zum Anlass, passende Lösungen zu entwickeln, die dann dem Grundgedanken entsprechen. Natürlich wird so etwas auch nochmal den Kindern und Jugendlichen rückgekoppelt und erklärt. So lernen sie auch zu verstehen, warum der Entwurf letztlich doch etwas anders aussieht als ihr Modell.
Vielen Dank, Frau Hüls, für dieses interessante Gespräch! Wie kinderfreundlich sieht euer Wohnumfeld aus? Finden Kinder dort auch außerhalb der Spielplätze Treffpunkte und Orte zum Spielen?
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