Peter Schlösser weiß, er „kann die Welt nicht aus den Angeln heben“. Aber dafür sorgen, dass der Spielplatz in seiner Nachbarschaft sauber ist, das geht. Deshalb dreht er Woche für Woche seine Runde und sammelt den Müll auf. Eigentlich wohnt an jedem Spielplatz jemand wie er, der das ebenso machen könnte. Dann wären die 150 Spielplätze seiner Heimatstadt Bergisch Gladbach ruckzuck sauber.
Herr Schlösser, erzählen Sie mal, wie läuft Ihre Säuberungsaktion ab?
Peter Schlösser: Ganz unspektakulär. Ich gehe seit fünf Monaten einmal die Woche – meistens Freitagvormittag – über den nahegelegenen Spiel- und Bolzplatz Kolpingstraße und sammle mit einer Müllzange den umherliegenden Unrat ein. Nach 45 Minuten bin ich fertig und der Spielplatz ist sauber.
Ist der Müll weniger geworden, seitdem Sie regelmäßig die Runde gehen?
Bei meinen ersten beiden Einsätzen habe ich jeweils einen ganzen Müllsack gefüllt. Es ist erstaunlich was auf dem Spielplatz bzw. in den Büschen alles zum Vorschein kam: Toilettendeckel, Bett- und Unterwäsche, eine ausrangierte Schneeschaufel, Radabdeckungen, ein Sonnenschirmständer und eine angebrannte Regenweste. Inzwischen reicht mein 20-Liter-Eimer für eine Tour. Der ist allerdings immer noch jedes Mal gut gefüllt.
Ärgert Sie, dass jede Woche wieder neuer Müll rumliegt?
Das ärgert mich unheimlich! Vor allem dieser wiederkehrende Unrat: Flaschen, Zigarettenschachteln, Kippen, Taschentücher, Plastikabfall, das komplette Fastfood-Sortiment. Die Leute packen sogar den Kot ihrer Vierbeiner in die Tütchen und schmeißen diese dann in die Büsche. Ich hab’s anfangs gar nicht geglaubt!
Das stelle ich mir frustrierend vor…
Manchmal ist es das. Aber aufzugeben wäre keine Option! Denn eines ist klar: Wenn ein Spielplatz verdreckt ist, geht da niemand gerne hin. Und deshalb finde ich es wichtig, für saubere Spielplätze zu sorgen. Ich möchte, dass sich die Kinder hier wohl fühlen und gerne zum Spielen kommen. Dass ich mich kümmere, ist mein ganz persönlicher Beitrag für die Kinder aus der Nachbarschaft. Und nebenbei bekomme ich jede Menge frische Luft, Bewegung und kann mit den Leuten schwatzen.
Wie reagieren Spielplatzbesucher, die Sie beim Müllsammeln antreffen?
Ich kriege sehr positive Rückmeldungen. Wenn da Mütter und Väter auf dem Spielplatz sind, finden die das toll. Andere fragen, ob ich dafür bezahlt werde… (lacht) Auch mit Hundehaltern komme ich ins Gespräch. Ich bin freundlich, lächle die Leute an, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger auf andere zu zeigen und ständig zu meckern: „Das darfst du nicht.“ Ich versuche mit denen Leuten ins Gespräch zu kommen und sage: “Hört mal, nehmt euren Krimskrams mit, dann muss ich am Freitag weniger einsammeln.“ Blöde Bemerkungen gab’s bisher nicht.
Ihr Wunsch ist, dass alle 150 Spielplätze in Bergisch Gladbach sauber sind. Wie kann das gelingen?
Ich gebe zu, 150 Spielplätze in Bergisch Gladbach sind eine ganze Menge. Aber trotzdem ließe sich das mit entsprechender Eigeninitiative relativ einfach bewerkstelligen. An jedem Spielplatz wohnt bestimmt jemand wie ich, der oder die Zeit hat, um einmal in der Woche den Spielplatz zu säubern. Das ist überhaupt keine Belastung, keine Mehrarbeit, gar nix. Man muss nur sagen: „Ja, ich mach das und ich schäme mich auch nicht mit der Müllzange und einem Eimer durch die Gegend zu laufen.“
Was antworten Sie denen, die sagen: Sauberkeit sei Aufgabe der Stadt?
Ich glaube, diese Menschen haben das Prinzip Stadt nicht verstanden. Stadt sind wir alle. Ich kann nicht immer nach dem großen Bruder rufen und sagen: „Ich zahle hier meine Steuern, bitte mach!“ Ich weiß, dass auch die Stadt nur begrenzte Möglichkeiten hat und nicht unendlich viel Personal. Die können nicht immer und überall im Einsatz sein.
Wobei die Stadt ja trotzdem in der Verantwortung ist…
Ja, das ist richtig. Und unsere Stadt kümmert sich im Rahmen des Möglichen auch recht gut, wie ich finde. Der städtische Abfalldienst kommt beispielsweise einmal die Woche und leert die sieben! Abfalleimer auf unserem Spielplatz. Dabei sind die vorher nie voll. Der Unrat liegt trotzdem auf dem Boden. Die Menschen müssen endlich umdenken und verstehen: „Wegwerfen gehört sich nicht!“ Es würde helfen, wenn die Leute ihr Zeug einfach wieder mit nach Hause nehmen und dort entsorgen würden. Das ist eine Frage der Einstellung. Da muss sich aber noch viel in den Köpfen tun.
Und bis es soweit ist, entsorgen Sie weiterhin den Müll?
Ja, ich werde weiter meine Runden auf dem Spielplatz drehen. Ich weiß, ich kann die Welt nicht aus den Angeln heben, aber mit meinem Einsatz kann ich schon viel bewirken. Übrigens bin ich ja nicht alleine. Es gibt in Bergisch Gladbach beispielsweise die Initiative ichtuwasfürGL. Das sind junge Familien, die gehen mit Kind und Kegel jeden Monat in ein anderes Stadtgebiet und sammeln dort einen Vormittag lang den Müll ein. Die Idee finde ich richtig gut. Viele machen da schon mit und es werden immer mehr. Anfangs bin ich auch ein paar Mal mitgelaufen, bevor ich mich doch für „meinen“ Spielplatz entschieden habe. Es gibt genug vor Ort zu tun und ich sehe, dass ich hier nachhaltig etwas verändern kann.
Haben Sie denn schon Mitstreiter gefunden?
Bisher haben sich zwei, drei Leute bei mir gemeldet und nachgefragt, wie sie sich auch engagieren können. Vielleicht werden es noch mehr, auch mit Unterstützung der Stadt und des Vereins Wir für Bergisch Gladbach. Im März steht dort das Thema „saubere Spielplätze“ auf der Tagesordnung und ich bin eingeladen worden, von meinen Erfahrungen zu berichten. Außerdem weiß ich, dass seitens der Stadt weitere Initiativen in Hinblick auf eine saubere Stadt geplant sind. So bin ich sehr zuversichtlich, dass sich weitere Mitstreiter finden werden.
Woher nehmen Sie Ihre Motivation?
Mir liegt Bergisch Gladbach sehr am Herzen. Ich lebe seit 65 Jahren hier und habe 40 Jahre für die Stadt gearbeitet, davon mehr als 30 Jahre als Pressesprecher und Verantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit. In der Zeit habe ich viel Papier beschrieben. Trotzdem war mir immer die Frage wichtig: was wollen wir bewegen? Damit sich was verändert. Deshalb beginne ich als Rentner nun an der kleinsten Stelle und verbessere ganz konkret die Saubereit auf einem Spielplatz. Die Freude an einem sauberen Spielplatz ist die beste Motivation und vielleicht kann ich dadurch ja Leute motivieren, sich ebenfalls um einen Spielplatz zu kümmern? Wer Fragen dazu hat oder sich auch engagieren möchte, kann mir gerne eine E-Mail schreiben.
Vielen Dank, Peter Schlösser, für das Interview und Ihren Einsatz! Ich hoffe, es folgen noch mehr Menschen Ihrem Beispiel.
Städte brauchen Menschen wie Peter Schlösser, die nicht nur meckern, sondern selber mit anpacken. Wie sauber sind die Spielplätze in deiner Stadt? Kennt du auch Leute, die, wie Peter Schlösser, freiwillig Müll einsammeln? Oder kümmerst du dich vielleicht sogar selbst um einen Spielplatz? Was müsste passieren, damit Spielplätze dauerhaft sauber bleiben? Gerne lass uns einen Kommentar da.
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