Julia und Burkhard Küthe schauen genauer hin als andere. Denn ihre Mission ist es, mehr inklusive Spielplätze zu erschaffen. An ausgewählten Beispielen zeigen sie in diesem Beitrag, wie durch kleine Anpassungen bestehende Spielplätze für ALLE zugänglicher gestaltet werden können.
Das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen wächst. Und trotzdem werden diese bei der Planung und Gestaltung von Spielplätzen noch immer zu selten berücksichtigt. Das Ergebnis: Kinder mit Einschränkungen finden selten Spielplätze, auf denen sie spielen können. Das muss sich ändern!
Barrierefreie Spielräume durch innovative Planung
Inklusion ist für eine gleichberechtigte Teilhabe und das gemeinsame Spiel und Erleben von Kindern mit und ohne Behinderung unerlässlich und ein Menschenrecht.
Julia Küthe, natürlich inklusiv
Das Planungs- und Beratungsbüro natürlich inklusiv, gegründet von Julia und Burkhard Küthe, setzt genau hier an. Ziel ist es, barrierefreie Spielräume durch innovative Planung zu kreieren. Um finanzielle Hürden für Kommunen und Interessengruppen zu überwinden, soll der Zugang zu Fördermitteln geschaffen werden. Denn „Inklusion ist für eine gleichberechtigte Teilhabe und das gemeinsame Spiel und Erleben von Kindern mit und ohne Behinderung unerlässlich und ein Menschenrecht“, betont Julia Küthe.
Erst Inklusion ermöglicht die Chance auf gleichberechtigte Teilhabe. Anhand von Kreisen und Punkten stellt das Schaubild die Unterschiede zwischen Exklusion, Inklusion, Integration und Separation bildhaft dar. Grafik: ©natürlich inklusiv
Grafik: natürlich inklusiv
Um sofortige Verbesserungen anzustoßen, sei es wichtig, gerade auch die bestehenden Spielplätze unter die Lupe zu nehmen, findet Julia Küthe. Insbesondere durch gezielte Anpassungen bei Untergründen und Wegführungen, könnten Spielplätze schnell inklusiver werden.
Die Inklusionsexpertin hat für diesen Beitrag sechs Beispiele zusammengetragen, um euch Möglichkeiten für Optimierungen aufzuzeigen. Ihre Erfahrungen teilt sie außerdem auf Spielplatztreff.de.
1. Beispiel: Wasserspiel auf holprigen Wegen
Der Spielplatz im Stadtpark in Duderstadt, der sich malerisch hinter den alten Stadtmauern befindet, ist ein echter Geheimtipp für Familien. Denn durch seine vielfältige Gestaltung findet sich hier für jedes Alter etwas. Ein Highlight sind definitiv die drei Bereiche, in denen mit Wasser gespielt werden kann – ideal für eine Menge Spaß im Nass.
Allerdings gibt es einen Haken: Die Kieswege und die holprigen Flächen rund um die Wasserspiel-Bereiche sind nicht barrierefrei, was den Zugang gerade für motorisch eingeschränkte Kinder deutlich erschwert. Julia Küthe findet, dass die Stadt zumindest bei einem der drei Wasserspielbereiche die Wege und den Untergrund so verändert, dass alle Menschen barrierefreien Zugang zu diesem besonderen Teil des Spielplatzes erhalten und damit die Chance, die Förderung der Sinne und die gemeinsame Freude an diesem Ort zu erleben.
2. Beispiel: Akustik-Objekt viel zu abseits
Im Park der Sinne in Laatzen bei Hannover steht dieser faszinierende Klangstein aus Granit. Der ist etwa einen Meter hoch und im oberen Bereich so eingeschnitten, dass, wenn man Wasser drüber laufen lässt und dann mit den Händen über die Oberfläche streicht, unterschiedlichste Töne rauskommen. Die kann man sogar fühlen, weil der Stein vibriert.
Eigentlich ein tolles akustisches Spielelement. Doch damit das klappt, braucht es Wasser in der Nähe, ein Schild, das erklärt, wie’s funktioniert und ausreichend Platz, damit sich bis zu vier Leute um den Klangstein herumstellen können. Aber das fehlt hier alles.
Gerade weil die Investition für solch ein Objekt sehr hoch ist, sagt Julia Küthe, wäre es sinnvoll gewesen, den Klangstein nicht nur funktional, sondern auch optisch ansprechender in den Park einzubetten. Und barrierefrei sollte so ein Klangstein natürlich auch erreichbar sein. Damit alle Menschen an dieser besonderen Sinneserfahrung teilhaben können. Durch die gepflasterte Wegekante und den unebenen Rasenboden hier leider schwierig.
3. Beispiel: Visuelles Objekt mit Stufen
Julia Küthe hat noch ein weiteres Beispiel aus dem Park der Sinne in Laatzen mitgebracht. Dort steht nämlich auch dieses beeindruckende Kaleidoskop. Schaut man von unten in die runden Glaselemente, fühlt es sich an, als würde man durch das Auge eines riesigen Insekts schauen – total faszinierend! Aber es gibt einen Haken: Dieses coole Objekt ist leider nur was für Leute, die groß genug sind, um tatsächlich diesen besonderen Blick ins Innere erhaschen zu können. Und sie müssen mobil genug sein, um einen Kiesweg zu meistern und einige Stufen zu erklimmen. Da hilft auch die modellierte Betonrampe nicht, die nur beim Überwinden einer einzigen Stufe unterstützt. So werden viele Menschen von vornherein ausgeschlossen, diese einzigartige, visuelle Sinneserfahrung gemeinsam zu genießen.
4. Beispiel: Schaukeln mit losem Fallschutz und ohne Wege-Anbindung
Lose Fallschutzmaterialien wie Sand, Kies oder Hackschnitzel sind zwar kosteneffizient und tragen zu einem natürlichen Spielgefühl bei, doch sie bergen auch Herausforderungen für Menschen mit Beeinträchtigungen. Durch Sand und Kies kommt man mit dem Rollstuhl gar nicht oder nur schwerlich voran. Und problematisch ist auch, wenn sich Kuhlen unter den Spielgeräten bilden, weil sich das lose Material beim Spielen verschiebt. Solche Unebenheiten können den Zugang weiter erschweren und stellen zusätzliche Barrieren dar.
Schwierig wird es auch, wenn die direkte Anbindung an die Wegeführung fehlt, wie oben auf dem Bild sichtbar. Ohne klar definierte Pfade oder ein Leitsystem wird es für Menschen mit Sehbehinderungen extrem herausfordernd, selbstständig und sicher zu den Spielgeräten zu gelangen. Eine mögliche Lösung, sagt Julia, könnte die Implementierung einer taktilen Wegführung oder Beschilderung sein, die nicht nur die Orientierung erleichtert, sondern auch eine sichere Navigation um oder durch problematische Bereiche ermöglicht.
Abgesehen davon ist anzuerkennen, dass die „alla hopp“ Spiel- und Bewegungsanlagen in Baden-Württemberg insgesamt besondere Spielumgebungen bieten, die bereits mehr barrierefreie und inklusive Spielmöglichkeiten und Sinneserfahrungen anbieten als andernorts.
Lest auch das Interview mit dem alla-hopp-Stifter Dietmar Hopp
5. Beispiel: Barrierefreier Zugang zu versteckt
Der Weltspielplatz in Berlin ist unkonventionell gestaltet und das Ergebnis der Beteiligung vieler engagierter Menschen. Auch an barrierefreie Zugänge wurde gedacht. Doch diese sind oft erst nach der Erkundung des Spielplatzes ersichtlich. Steht man mit dem Rollstuhl am falschen Eingang, gibt es keinerlei Hinweisschild auf die barrierefreien Alternativen.
Eine ganz einfache Lösung könnte darin bestehen, sagt Julia, ein Hinweisschild anzubringen, das den Weg zu den alternativen, barrierefreien Zugängen weist.
6. Beispiel: Sitzgelegenheiten im Schatten
Julia Küthe hebt auch die Bedeutung kleiner Details, abseits der Spielgeräte, hervor. Wie beispielsweise diese Solitär-Eiche auf dem Schulhof-Spielplatz an der Kirchschule in Papenburg– ein Naturjuwel, das für eine beruhigende Atmosphäre sorgt. Schatten wird gerade im Kontext des Klimawandels für die Nutzbarkeit von Spielplätzen immer relevanter. Als Verbesserung für diesen Spielort sieht Julia Küthe die Möglichkeit, die Sitzgelegenheiten um den Baum zu erweitern, indem die Sitzflächen nach außen versetzt werden. Dadurch kann mehr Platz für alle und eine angenehmere Umgebung im Schatten geschaffen werden.
Dorfpark Bösel: inklusiv geplant und umgesetzt
Eine der ersten öffentlich zugänglichen Spielflächen haben Julia und Burkhard im Landkreis Cloppenburg in Niedersachsen realisiert. Im Dorfpark Bösel haben sie das bereits vorhandene Angebot an Spiel-, Sport- und Fitnessgeräten um eine barrierefreie Spielfläche ergänzt. Das gesamte Projekt wurde aus Stiftungs-, Förder- und Spendengeldern finanziert.
Im November vergangenen Jahres gründeten Julia und Burkhard sowie neun weitere Personen in Ostfriesland übrigens den Verein natürlich inklusiv e.V.. Der Verein will durch Öffentlichkeitsarbeit sensibilisieren und aufklären. In Kitas, Schulen und kleinen Kommunen leisten die Mitglieder Bildungsarbeit. Daneben will der Verein durch die Zuwendung von Mitteln, die Förderung seiner Zwecke verwirklichen.
Dieser Beitrag verdeutlicht, wie durch einen Perspektivenwechsel und kleine Anpassungen Spielplätze zu inklusiven Orten werden, die allen Kindern Freude bereiten. Wir hoffen, dass durch das Engagement von Julia und Burkhard in Zukunft noch mehr inklusive Spielplätze entstehen und auf Spielplatztreff sichtbar werden. Auf Spielplatztreff können alle registrierten Spielplätze nach barrierefreien und inklusiven Spielgeräten durchsucht und gefiltert werden.
Titel-Foto: Die neue, barrierefreie und inklusive Spielfläche im Dorfpark in Bösel wurde geplant vom Planungsbüro natürlich inklusiv. ©Gemeinde Bösel
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