Cornelia Aust ist seit 23 Jahren zuständig für die Spielplätze in Herford. Sie hat ganze Arbeit geleistet, denn die Herforder Spielplätze können sich sehen lassen. Im Interview mit uns verrät sie ihre Erfolgsformel: Man nehme jede Menge Schaukeln, ausgefallene Kinderideen, viel Platz im Grünen, Lust auf Eltern-Feedback und einen Alltime-Wunschzettel. Aber lest selbst.
Frau Aust, inwieweit haben Kinder und Eltern Ihren Blick auf Spielplätze in all den Jahren erweitert?
Aust: Sie haben bei mir eine ganze Menge bewirkt. Um die Perspektive zu erweitern, muss man bloß mal ein Weilchen zusehen und beobachten. Ich bin gerne auf dem Spielplatz, schaue mir an, wie die Kinder spielen, die Eltern agieren und lerne. Mir war früher zum Beispiel nie die Wichtigkeit von Schaukeln bewusst. Ich habe immer gedacht: Schaukeln, die nehmen so viel Platz weg, davon brauchen wir doch gar nicht so viele. Heute weiß ich: Wir brauchen unendliche Mengen von Schaukeln.
Cornelia Aust kümmert sich seit 23 Jahren um die Planung und den Neubau sämtlicher Herforder Spielplätze. Im Oktober 2020 geht sie in den wohlverdienten Ruhestand. Vorher hat sie sichergestellt, dass zukünftig alle Herforder Spielplätze via Spielplatztreff App gefunden werden. Die Hansestadt Herford hat auf Spielplatztreff ein eigens Profil. Top!
Deshalb gibt es auf Herforder Spielplätzen so viele Schaukeln?
Ja. Denn alleine schaukeln ist doof, also brauchen wir Doppelschaukeln. Kleinkinder können fast noch nichts auf dem Spielplatz machen, außer schaukeln. Also brauchen wir Kleinkinderschaukeln und am besten gleich zwei nebeneinander, damit die Eltern beim Anschubsen miteinander ins Gespräch kommen und auch ihren Spaß haben. Die Schaukeln sollten auch hoch genug hängen, um Bandscheibenvorfällen vorzubeugen. Genau so haben wir das zum Beispiel auf dem Spiel- und Bolzplatz im Meisenpfad umgesetzt.
Unglaublich beliebt sind die Partnerschaukeln, wo man schon ganz kleine Kinder reinsetzen kann. Besonders toll für ängstliche Kinder, die sich mehr zutrauen, wenn Mama, Papa oder das ältere Geschwisterkind beim Schaukeln gegenübersitzt. Auf dem Spielplatz im Weizenfeld hängt zum Beispiel eine Partnerschaukel.
Die meisten Herforder Spielplätze haben nicht nur viele Schaukeln, sondern bieten auch sehr viel Platz zum Toben und Versteckspielen. Wie kommt das?
Wir haben bereits vor 12 Jahren beschlossen, keine Mini-Spielplätze mit ein oder zwei Spielgeräten zu bauen, wie man sie normalerweise aus neuen Wohngebieten kennt. Auf zu kleinen Flächen ist einfach zu wenig Platz, um einen interessanten Spielplatz zu gestalten. Nach zwei bis dreimal hingehen, wird es langweilig und die Kinder brauchen Alternativen. Also stecken wir das Geld lieber gleich in große Spielplätze.
Klingt gut. Doch große Spielplätze sind teurer. Woher kommt das Geld?
Bei uns ist das so: Wenn ein Neubaugebiet entsteht, muss jeder Erschließungsträger grundsätzlich Geld für den erzeugten Spielplatzplatzbedarf an uns zahlen. Meist sind diese Gebiete ja riesig mit gleich mehreren Erschließungsträgern. Da kommt einiges zusammen. Die Stadt schießt eine ordentliche Summe dazu. Und dann wird von diesem Gesamtbetrag ein großer Spielplatz für das gesamte Neubaugebiet gebaut. Natürlich mit qualitativ hochwertiger Ausstattung und einem interessanten Angebot für alle Altersstufen.
Und Eltern nehmen die weiteren Wege zum nächsten Spielplatz in Kauf?
Ja, in der Regel schon. Insgesamt ist ja die Stadt Herford mit 55 Spielplätzen auf 66.000 Einwohner sehr gut aufgestellt. Aber wir haben festgestellt, dass Eltern manchmal tolle Spielplätze in 10 bis 15 Minuten Fußweg Entfernung gar nicht kennen. Umso mehr freut es mich, dass nun Herforder Eltern ganz einfach per Spielplatztreff App alle Spielplatz-Informationen abrufen können. Im Moment werden außerdem gerade 400 Aufkleber mit QR-Code und Link zur Spielplatztreff App an alle Spielplatzschilder geklebt. So gelingt das Spielplatz-Hopping in Zukunft noch leichter.
Warum haben Sie sich für Spielplatztreff entschieden?
Vor vielen Jahren, als das Internet und die sozialen Netzwerke plötzlich an Bedeutung gewannen, bekam ich ständig E-Mails mit der Einladung, meine Spiel- oder Bolzplätze in irgendwelche Internetplattformen und Datenbanken einzutragen. Diese Datenbanken sind mittlerweile alle wieder in der Versenkung verschwunden. Aber Ihre Webseite existiert, wird immer besser und immer voller. Und das ist für mich entscheidend. Man muss eine Seite haben, wo viele Leute hingehen. Nur dann kann man Informationen streuen und Bewertungen bekommen. Deshalb verlinken wir auch von der Herforder Webseite nun auf Spielplatztreff, damit die Informationen schnell gefunden werden können.
Die Spielplätze können allerdings nicht nur gefunden, sondern auch bewertet werden. Keine Angst vor Kritik?
Nein. Aus der Kritik holen wir uns die Informationen, was wir auf unseren Spielplätzen noch verbessern können. So wie kürzlich beim Spiel- und Bolzplatz Meisenpfad.
Dort stand im Bewertungskommentar sinngemäß: Alles schön, rundum Schatten, nur der Spielplatz selbst liegt in der prallen Sonne. Stimmt! Das war uns noch gar nicht aufgefallen. Man wird manchmal betriebsblind mit der Zeit. Dank des Hinweises haben wir den Spielplatz nun in die Pflanzliste mit aufgenommen. Da kommen jetzt Bäume hin. Deshalb nehmen wir solche Rückmeldungen gerne entgegen und ernst.
Sie führen sogar einen Alltime-Wunschzettel, haben Sie mir erzählt. Was ist das genau?
Auf diesen Wunschzettel kommen alle Vorschläge, die aus verschiedenen Gründen nicht sofort umgesetzt werden können. Der Zettel wird einmal im Jahr durchgeguckt – meist im Oktober, wenn feststeht, wieviel Restgeld noch da ist. Und dann schauen wir, was davon noch realisiert werden kann. Wenn man uns also auf Spielplatztreff in die Bewertungen ordentlich Wünsche reinschreibt, können wir vielleicht den ein oder anderen zusätzlichen Wunsch umsetzen. Wenn auch nicht immer sofort.
Ihre Spielplätze sind nicht nur groß, sondern auch sehr vielfältig. Wie kommen Sie auf Ihre Ideen?
Wir fragen die Kinder. Denn die planen Spielplätze, auf die wir als Erwachsene niemals kommen würden. Wir schreiben den Kindern in den Einladungsflyer für die Beteiligung, sie sollen sich schon im Vorfeld Gedanken machen und dass sie jede Art von Idee präsentieren können, die ihnen einfällt. Viele Kinder gehen dann mit ihren Eltern ins Internet und recherchieren, wie ein Spielplatz aussehen kann, der ihnen gefällt. Meistens kommen zu den Beteiligungen zwischen 30 und 50 Kinder und bringen dann jede Menge Fotos oder selbst gemalte Bilder mit.
Haben Sie ein Beispiel für eine tolle Kinder-Idee?
Letztes Jahr haben wir den Spielplatz Kiefernweg umgeplant. Da brachten zwei Mädchen ihre selbstgemalten Bilder von Drachen mit, auf denen anstatt einer Zunge eine Rutsche aus dem Maul führte. Die beiden hatten ganz konkrete Vorstellungen davon und alle anderen Kinder waren sofort begeistert. So stand die Idee schnell fest, es wurden Kataloge gewälzt und Hersteller angeschrieben und letztendlich der neue Drachenspielplatz im Kiefernweg konkret nach dieser Idee umgesetzt.
Manchmal lassen Sie sogar Einzelteile nach den Ideen der Kinder anfertigen, so wie auf dem Spielplatz Glumke…
Der Spielplatz Glumke war ursprünglich aus Holz und wurde immer wieder mutwillig angezündet, bis keines der Geräte mehr übrig war. Ein Jahr lag die Fläche brach, weil wir nicht wussten, ob es überhaupt sinnvoll ist, dort wieder einen Spielplatz aufzubauen. Dann kamen allerdings immer mehr Anfragen, die Kinder wollten ihren Spielplatz zurück. Also musste etwas Feuerfestes her. Die Kinder haben lange diskutiert, was nicht brennt. Letztendlich kamen sie auf einen Stein-Kletterfelsen.
Gemeinsam haben wir ganz genau besprochen, was dieser Kletterfelsen alles können muss: mit Wellenrutsche, Höhle und Möglichkeiten zum Klettern in verschiedenen Schwierigkeitsstufen. Mit diesen Informationen haben ich mehrere Betonkletterfelsen-Hersteller gefüttert, kriegte verschiedene Entwürfe gezeichnet und die Kinder haben sich einen ausgesucht. Der Felsen steht jetzt zusammen mit anderen (schwer entflammbaren) Spielgeräten seit 2016 dort und es hat seitdem nie wieder gebrannt.
Was mich wundert: In ganz Herford gibt es nur einen Wasserspielplatz, obwohl diese in der Regel sehr beliebt sind. Mögen Sie kein Wasser?
Doch sehr sogar! Ich würde in der Innenstadt sogar weitere Wasserspielplätze empfehlen, wenn es nicht so schwierig wäre, die Hygienevorschriften zu erfüllen. Zapfe ich eine Leitung an, muss das Spielplatzwasser Trinkwasserqualität haben, bei einem Fluss immer noch Badewasserqualität. Da kann man sich vorstellen, was an Untersuchungen, Reinigung, Wasseraustausch auf einem innerstädtischen Platz – wo abends fröhlich Bier getrunken wird und anschließend keine Toiletten da sind – nötig ist, um die Wasserqualität zu gewährleisten.
Von den Kollegen, die unseren Wasserspielplatz am Linnenbauerplatz betreuen, weiß ich, wie kostenintensiv das ist. Bei mehreren Plätzen dieser Art, wäre unser Unterhaltungsgeld leider sehr schnell aufgebraucht.
Wobei Ihre Spielplätze ja eher im Grünen liegen…
Das stimmt. Doch dann haben Sie wieder das Problem, dass dort keine Wasserleitungen vorhanden sind. Außerdem kommt hier das Thema Sicherheit ins Spiel. Da unsere Spielplätze zumeist in unbeaufsichtigten öffentlichen Bereichen (Parks oder am Rande der Bebauung) liegen, sind nicht alle Stellen für Eltern immer so leicht einsehbar. Unsere Spielplätze sind natürlich entsprechend der Spielplatznorm gesichert. Und wir machen es auch nicht sicherer als es die Norm verlangt. Kinder müssen komplett und lebend vom Spielplatz kommen. Arm- oder Beinbruch und mal eine Gehirnerschütterung – das alles darf sein. Ein Kind darf auch aus drei Meter Höhe in den Sand fallen. Aber ich weiß eben auch, dass gerade kleine Kinder schon bei sehr niedrigen Wasserständen ertrinken können. Daher bin ich mit Wasser auf dem Spielplatz eher zurückhaltend.
Haben Sie einen Lieblingsspielplatz in Herford?
Eigentlich ist immer der mein Lieblingsspielplatz, der gerade fertig geworden ist. Im Moment ist das der Flughafen-Spielplatz Schobeke. Das Thema „Flughafen“ gefällt mir sehr und die Kinder haben das mit so einer Begeisterung geplant. Auch wenn es schwierig umzusetzen war. Denn Flugzeuge gibt es gar nicht so viele. Schiffe gibt es im Überfluss, aber Flugzeuge sind interessanterweise Mangelware.
Sie gehen nun in den wohlverdienten Ruhestand. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wohin sollte die Spielplatz-Reise in Herford gehen?
Es soll alles so bleiben wie es ist. Die Kinder sollen noch viele tolle Spielplätze planen. Die können das! Seitdem Kinder die Spielplätze planen, hat es keine schöneren gegeben.
Herzlichen Dank, Frau Aust, für das wunderbare Gespräch. Ihnen alles Gute!
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