Strahlend blauer Himmel, die Sonne brennt. Uns wird es trotzdem nicht zu warm werden. Denn heute geht es zum Klettern in den Wald. Unsere sechsjährige Tochter Mathilda hat sich etwas vorgenommen: „Diesmal schaffe ich das!“ Doch bevor sie durch’s Kraftfeld schwebt, schnell noch auf die Toilette.

Einige Tränen und eine gefühlte Ewigkeit später

Vor zwei Jahren waren wir schon einmal im Waldkletterpark Bad Neuenahr-Ahrweiler. Denn hier gibt es einen Kinderparcours extra für Kinder ab vier Jahren. Genau das Richtige für unsere damals gut 4-jährige Tochter Mathilda, die Lust hatte, ihre ersten Klettererfahrungen zu machen. So dachten wir.

Während Jordi, ihr drei Jahre älterer Bruder, von Beginn an riesigen Spaß hatte, war Mathilda, oben angelangt, gar nicht mehr so versessen auf’s Klettern und spätestens auf der Seilrutsche am Ende des ersten Parcours-Abschnittes verließ sie dann ganz der Mut. Aus war’s! Da halfen auch nicht die geduldigen Überredungskünste des Kinderparcours-Guides. Einige Tränen und eine gefühlte Ewigkeit später, kletterte der Guide zu ihr rauf und rutschte mit ihr gemeinsam die Seilrutsche herunter. Einerseits erleichtert über ihre Rettung, andererseits enttäuscht über den Ausgang, wartete Mathilda damals die restliche Zeit unten geduldig auf ihren Bruder, der sein Kletterabenteuer bis zum Schluss in vollen Zügen genoss.

„Heute schaffe ich das!“

Zwei Jahre später, an einem Sonntag im Mai, wollen wir es noch einmal wagen und brechen nach dem Mittagessen frohen Mutes auf. Diesmal ist sich Mathilda sicher: „Heute schaffe ich das!“ Als wir ankommen, sind wir überrascht. So voll war es beim letzten Mal nicht. Die Autos parken sogar schon auf der Zufahrtsstraße am Straßenrand. Dort finden wir zum Glück auch noch ein Plätzchen. Am Kassenhäuschen stehen wir aber trotzdem nur kurz Schlange, um zu bezahlen – vier mal Kinderparcours für 13,95 Euro pro Person geht in Ordnung – und nehmen die Klettergurte sowie die Helme für die Kinder entgegen.

Unten auf der Wiese chillen die Leute, oben im blauen Himmel ist das Seil der Megaseilbahn zu erkennen. Foto: Schilling

Die Mitarbeiter sind freundlich und haben die Ruhe weg. Das ist sehr sympathisch und irgendwie auch erstaunlich. Denn während sie mit uns reden, schnarren ständig Stimmen aus ihren Walkie Talkies. Sie sollen Leute aus der Megaseilbahn (450 m lang,  30 m hoch) befreien, denen nach der Hälfte der Strecke der Schwung ausgegangen ist und die nun hoch über der großen Picknick-Wiese festhängen. Unter ihnen jede Menge Trubel. Am Fuße des Kletterwaldes lässt es sich nämlich wunderbar Picknicken, Chillen oder (Fußball) spielen.

Vorher noch mal auf die Toilette

Doch zurück zu uns. Wir wollen klettern. Und so werden wir mit dem Hinweis: „Bitte alle Kinder vorher noch mal auf die Toilette.“ in den Wald zum Eingang des Kinderparcours geschickt. Dass man den Toiletten-Hinweis besser nicht ignoriert, erfahren wir noch hautnah. Aber dazu später mehr…

Am Kinderparcours begrüßt uns der Kinderparcours-Guide Antje. Sie legt uns die Klettergurte an und erklärt unseren Kindern alles, was sie wissen müssen, um sicher durch den Parcours zu gelangen. Eigentlich ist Antje Schauspielerin und Musikpädagogin, wie sie mir hinterher erzählt. Sie arbeitet zusätzlich im Waldkletterpark, weil sie „Spaß daran hat und nebenbei Geld verdient.“

Antje checkt die Ausrüstung und weist unsere Kinder ein. Foto: Schilling

Der Spaß ist ihr anzumerken. Sie macht ihren Job gut und verpackt ihre klaren Anweisungen in lockere Sprüche. Als Mathilda ihr sagt, dass sie an der Seilrutsche das letzte Mal aufgegeben hat, antwortet Antje: „Na, dann schaffst du das heute, versprochen?“ Die beiden haben einen Deal.

Vorschnelle Mamas und Papas

Oben auf dem Kletterpfad angelangt, prescht der große Bruder los. Mathildas Start hingegen fällt wesentlich zaghafter aus. Es dauert eine Weile, bis sie überhaupt den ersten Schritt setzt. Das kann ja heiter werden, denke ich bei mir (ich klettere direkt hinter ihr), spreche ihr aber Mut zu und bin froh, als es zwar langsam, aber immerhin voran geht.

Ich möchte nicht sehen, dass die Eltern zu schnell helfen. Ich komme und mache das.

Von unten hat Antje das Geschehen professionell im Blick, gibt Hilfestellung und verteilt, wenn nötig, aufmunternde Worte. Mathilda ist nicht die einzige, die Zuspruch braucht. Der Pfad liegt bis zu neun Metern hoch, ist insgesamt ziemlich wackelig und die Abstände der Trittflächen sind zum Teil recht groß. Klettern ab vier ist ein sportliches Ziel, würde ich sagen.

Antje hält unten fest, damit es oben weniger wackelt. Foto: Schilling

Wenn Antje sieht, dass Eltern sich zu sehr einmischen, ruft sie von unten: „Ich möchte nicht sehen, dass die Eltern zu schnell helfen. Ich komme und mache das.“ Ich schätze, die betreffenden Eltern hören das nicht so gerne. Ich gebe Antje jedoch recht. Ziel sollte es sein, dass die Kinder den Parcours möglichst selbstständig bewältigen. Mamas oder Papas, die vorauseilend unterstützen, sind da eher hinderlich. Gleiches gilt auch für einen gewöhnlichen Spielplatz.

Ob die Jungs nicht mal überholen dürften?

Hinter uns klettern zwei ca. 11-jährige Jungs, die nun an jeder Zwischenplattform auf uns warten müssen. Überholen unmöglich. Wir alle hängen an einem durchlaufenden Sicherungssystem, aus dem wir uns nicht ausklinken können.

Mit diesem System sind wir permanent am Seil gesichert. Foto: Schilling

Die Jungs werden zunehmend nervöser und fragen mich, ob „das Mädchen“ nicht mal weitergehen könne. Nein, kann sie nicht. Auch von unten fragen die wartenden Großeltern, ob die Jungs nicht überholen dürften. Antje erklärt freundlich, aber bestimmt, dass das wegen des Sicherungssystems nicht geht. Als ich mitkriege, dass es vor allem einer der beiden eilig hat, weil er dringend muss, tut es mir zwar Leid für ihn. Gleichzeitig denke ich aber: gut, dass wir auf dem Dixi-Klo waren, wenn auch mit Nase zuhalten.

Meine Tochter jedenfalls nimmt sich die Zeit, die sie braucht und ich werde sie nicht drängeln. Als Mathilda dann schließlich am Ende des ersten Parcours-Abschnittes an der besagten Seilrutsche (80 m lang) angelangt ist, geht nichts mehr.

An der Seilrutsche verlässt M. wieder der Mut. Foto: Schilling

Zunächst versuche ich ihr noch gut zuzureden, dann versucht es Antje vom Boden aus und als alles nicht hilft, klettert Antje zu meiner Tochter hoch und erklärt ihr: „Du hast mir versprochen, heute schaffst du das, also schaffst du das auch. Setz dich hin, beide Beine nach vorne und Schwung…“, mit diesen Worten gibt Antje Mathilda einen leichten Schubser und schon saust sie am Seil nach unten, ich folge ihr schnell. Doch für den Jungen hinter uns ist es zu spät. Seine Hosenbeine sind nass.

Gleich wieder rauf auf die Bäume

Als wäre Mathilda per Seilrutsche durch ein Kraftfeld geschwebt, kommt sie unten stolz wie Bolle an. Bruder und Papa nehmen sie in Empfang. Als Seilrutschen-Bezwingerin läuft sie gemeinsam mit Jordi direkt zum zweiten Streckenabschnitt. Keine Zeit verlieren, gleich wieder rauf auf die Bäume.

Mama guck mal, das ist ganz einfach.

Wieder oben ist ihr anzumerken, wie stark sie sich plötzlich fühlt. Selbstsicher und in doppelter Geschwindigkeit tänzelt Mathilda nun über die einzelnen Kletterpfade und nichts ist ihr zu wackelig: „Mama guck mal, das ist ganz einfach.“ Ich kann Mathilda mit jedem Schritt ein bisschen wachsen sehen. Es ist wunderbar zu beobachten. Am Ende des Parcours, wo meine Tochter dann die zweite Seilrutsche erwartet, braucht es dann doch wieder etwas Zureden. Trotzdem schafft sie es ganz ohne Antje!

Im Kletterlabyrinth toben sich M. und J. noch mal so richtig aus. Foto: Schilling

Bevor wir uns auf den Heimweg machen, geht es für Mathilda und Jordi noch mal ohne Klettergurte ins acht Meter hohe Netz-Labyrinth – eine riesige in den Bäumen hängende Seilkonstruktion. Hier kommen auch diejenigen auf ihre Kosten, die sich den Kinderparcours noch nicht zutrauen. Aber auch für Kletterkönige wie unsere beiden ist das Labyrinth prima geeignet, um noch die letzten Kraftkörner zu verschießen. Danach geht’s müde und glücklich zurück nach Hause.

Unser Fazit: Ein Ausflug in den Waldkletterpark Bad Neuenahr-Ahrweiler lohnt sich in jedem Fall. Hier können gerade junge Kletter-Fans so richtig groß werden und über sich hinauswachsen. Die Betreuung ist 1A. Und wenn’s beim ersten Mal nicht klappt, so unser Tipp: einfach wiederkommen. Ab neun Jahren können Kinder auch schon den anspruchsvolleren Adventurparcours meistern. Aller Voraussicht nach wird Mathilda dann wieder mit dabei sein und ihr Bruder sowieso.

 

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