Der Lockdown wurde bis zum 7. März verlängert, schrittweise öffnen nun wieder die Schulen. Doch noch immer fehlen die Perspektiven für den Vereinssport. PD Dr. Elke Opper, Expertin für Bewegungsbildung von der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, findet das besorgniserregend. Wir haben mit ihr gesprochen.
Elke Opper antwortet stellvertretend für das Team der MoMo-Studie mit Dr. Claudia Niessner, Dr. Anke Hanssen-Doose, PD Dr. Elke Opper, Prof. Alexander Woll und Prof. Annette Worth.
Frau Opper, Sie forschen im Rahmen der MoMo-Studie seit mehr als 20 Jahren zur motorischen Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen. Wie aktiv und motorisch fit sind Kinder und Jugendliche in Deutschland?
Opper: Die motorische Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen verschlechterte sich seit den 70er Jahren. Unsere Forschungen zeigen: Zu Beginn des neuen Jahrtausends konnte dieser Rückgang gestoppt werden, stagniert seitdem aber bis heute auf einem niedrigen Niveau. Problematisch dabei: Heranwachsende bewegen sich mit zunehmendem Alter immer weniger. Von der Altersgruppe der 6- bis 10-Jährigen zur Altersgruppe der bis 17-Jährigen halbiert sich die Bewegungsaktivität. Nur noch 10 bis 15 Prozent der Jugendlichen erreichen die Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO von einer Stunde Bewegung am Tag!
Blicken Sie vor diesem Hintergrund besonders sorgenvoll auf die seit langem geschlossenen Sportstätten und -vereine?
Ja. Durch die Stilllegung des Vereinssports während des Lockdowns fehlen vor allem die qualitativ hochwertigen Bewegungs- und Sportangebote. Aus unseren Untersuchungen geht deutlich hervor: Kinder die dauerhaft am Vereinssport teilnehmen sind motorisch besser entwickelt. Vereine schaffen Kontinuität hinsichtlich des Bewegungsverhaltens und man trainiert systematisch. Sollten die Vereine noch länger geschlossen bleiben rechnen wir deshalb mit negativen Langzeitfolgen vor allem im Hinblick auf die Fitness und den BMI.
Fehlt der Sport auch als psychischer Stabilisator und sozialer Kit?
Durchaus fehlt den Kindern und Jugendlichen ohne Bewegungsmöglichkeiten ein Ausgleich zum Alltag. Damit kann auch eine verringerte Stressresistenz und eine höhere psychische Belastung einhergehen. Regelmäßige und ausreichende Bewegung ist Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der körperlichen Funktionen. Durch die Isolation fallen außerdem wichtige soziale Kontakte und der Austausch mit Gleichaltrigen weg. Daher gilt es diese Bewegungsmöglichkeiten so schnell wie gesundheitspolitisch möglich wieder zur Verfügung zu stellen.
Die expliziten Auswirkungen der Vereinsschließungen auf die physische und psychische Gesundheit lassen sich erst in Zukunft beantworten. Hierfür werden dringend Langzeitstudien wie z.B. die Motorik-Modul Studie benötigt. Diese läuft in Kooperation des KIT und der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.
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