Kürzlich stieß ich im Netz auf einen Artikel, in dem es darum ging, dass eine aufgebrachte Eltern- und Anwohnerschaft eines Spielplatzes in Kerpen-Götzenkirchen über ein neues Klettergerät verärgert war und ihrem Ärger via Facebook Luft gemacht hatte. Dort war u.a. zu lesen wie „hässlich, unpraktisch und gefährlich das Ding“ sei und „total ungeeignet“. Ich wurde stutzig, denn auf dem Foto sah das Klettergerät ziemlich interessant aus. Warum sind die Eltern so aufgebracht? Wurde hier tatsächlich ein ungeeignetes Gerät aufgestellt? Das wollte ich genauer wissen und habe bei der Stadt Kerpen nachgefragt.

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Beim diesem neuen Klettergerät auf dem Spielplatz Im alten Hof scheiden sich die Geister. Foto: Stadt Kerpen

Im Gespräch mit den für Spielplätze zuständigen Mitarbeitern der Stadt Kerpen, die die neue Kletterkombination ausgesucht haben, wird ziemlich schnell klar: Die Stadt hat sich gutüberlegt, warum genau dieses Gerät für den Spielplatz geeignet ist. Jedoch hat man das den Anwohnern im Vorfeld nicht kommuniziert. Ich will das im Folgenden nachholen – auch, um für mehr gegenseitiges Verständnis zu werben.

 

Nachfolger aus Holz oder Stahl?

Das Vorgängermodell auf diesem Spielplatz war eine klassische Kletterkombination aus Holz mit Türmen, Kletternetzen und Rutsche. Morsch und nicht mehr voll funktionsfähig musste das Gerät aus Sicherheitsgründen abmontiert werden.

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Dieses Klettergerät stand dort vorher und musste aus Sicherheitsgründen abmontiert werden. Foto: Stadt Kerpen

Soll es wieder ein Gerät aus Holz sein? Diese Frage stellt sich für die Stadt. Sie entscheidet sich gegen Holz und wählt ein Spielgerät aus einer Stahlkonstruktion. Aus gutem Grund, denn der Spielplatz Im alten Hof ist umgeben von einem älteren Baumbestand. Wunderschön, aber auch sehr schattig. Keine idealen Bedingungen für Holz, das deutlich schneller fault, wenn es feucht ist und die Sonne kaum drauf scheint.

Auch kommen Holzgeräte durch Vandalismus eher zu Schaden als robuste Stahlgeräte. Es ist wichtig, dass bei der Beschaffung von Spielgeräten nicht nur nach dem Einkaufspreis eines Gerätes geschaut wird, sondern auch die Folgekosten berücksichtigt werden. Objektiv betrachtet, also eine vernünftige Entscheidung seitens der Stadt.

 

Ein Gerät für die Kleinen oder die Großen?

Wenn es heißt, ein neues Spielgerät wird aufgestellt, ist die Vorfreude riesig. Oft zieht sich die Wartezeit wie Kaugummi und so sind alle gespannt, was da kommen mag. Umso größer ist die Enttäuschung, wenn sich herausstellt, dass das eigene Kind leider nichts mit dem Gerät anfangen kann, weil es entweder zu hoch oder zu langweilig ist. Ich schätze, alle Eltern kennen diese blöde Situation, auf dem Spielplatz kein adäquates Angebot vorzufinden. Und alle wünschen sich den Idealfall: Ein Spielplatz mit einem Spielangebot für alle Altersstufen.

Aber aus Perspektive der Spielplatz-Verantwortlichen in Kerpen wird folgendes Dilemma deutlich: Kein Klettergerät schafft es, die Bedürfnisse von Kindern zwischen zwei und 12 Jahren unter einen Hut zu kriegen. Ältere Kinder brauchen ganz andere Höhen, Bewegungsherausforderungen und Schwierigkeitsgrade als jüngere. Wenn das Geld und / oder der Platz nur für ein Gerät ausreicht, muss man sich eben entscheiden, für welche Zielgruppe das neue Gerät angeschafft wird?

Auf dem Spielplatz Im alten Hof sprechen gleich mehrere Gründe dafür, ein Klettergerät für Kinder ab sechs Jahren aufzustellen. Auch das marode Vorgängergerät war bereits für diese Zielgruppe ausgelegt, und so fehlt nach der Demontage ein Spielangebot für die Kinder dieser Altersgruppe. Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Das kann so nicht bleiben, denn die Hälfte aller Kinder, die im Umfeld des Spielplatzes wohnen, ist älter als sechs Jahre. Für die andere Hälfte – die jüngeren Kinder – gibt es auf diesem Spielplatz bereits Spielangebote, wie Wipptierchen, Wippe und Sandkasten. Nicht besonders attraktiv, aber immerhin etwas. Und es gibt ein Alternativangebot. Ganz in der Nähe befindet sich der Spielplatz Am Stadion, der seit letztem Jahr mit einem Spielschiff aus Holz ausgestattet ist, welches auch von jüngeren Kindern bespielt werden kann.

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Mit diesem Spielschiff haben kleine und große Piraten ihren Spaß. Foto: Stadt Kerpen

 

Ist die Optik entscheidend?

Das neue Stahlgerät ist nicht nur für die falsche Zielgruppe geeignet, sondern auch noch „hässlich“, so lautet der Vorwurf der Eltern. Das oben abgebildete Piratenschiff entspricht optisch wahrscheinlich eher dem, was wir Eltern uns unter einem schönen und damit geeigneten Spielgerät vorstellen.

Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten und unsere Geschmacksvorstellungen werden u.a. auch davon beeinflusst, was kulturell verbreitet ist. Fakt ist: Uns Eltern fehlt die Erfahrung mit Stahlgeräten. Wir sind auf Holz konditioniert, die deutschen Spielplätze sind voll davon. Gerade deshalb lieben wir Holz so sehr und gerade deshalb tut Abwechslung auch mal gut. Denn wenn sich Spielangebote unterscheiden und eher ergänzen als wiederholen, haben Kinder mehr Auswahl. Und… nur so nebenbei bemerkt… ein Piratenschiff sieht nach ein paar Jahren auch nicht mehr so frisch und einladend aus wie am Anfang. Schönheit ist eben auch auf Spielplätzen vergänglich 😉

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Dieses Piratenschiff auf dem Gruga-Spielplatz in Essen hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Foto: Spielplatztreff-User „Stadt-Piraten“

Auch deshalb sollten wir uns eher fragen: Wie muss ein Spielgerät beschaffen sein, um die motorischen und koordinativen Fähigkeiten von Kindern in besonderer Weise zu schulen? Und wir sollten uns fragen: Sind wir Eltern tatsächlich in der Lage, Spielgeräte fachlich zu beurteilen, nur weil wir selbst als Kind Spielplatz-Nutzer waren bzw. Spielplätze besuchen? Oder laufen wir Gefahr, uns von ungewohnten Äußerlichkeiten irritieren zu lassen und durch vorschnelle Urteile sogar innovativen Angeboten im Wege zu stehen?

Ich finde es jedenfalls nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig, um die Qualität von Spielplätzen zu optimieren, wenn Spielplatz-Verantwortliche ihre Aufgabe ernst nehmen und fachlich geschult sind, um sich intensiv mit genau diesen Fragen zu beschäftigen.

 

Gefährlich oder herausfordernd?

In der Kritik der Eltern klingt auch an, dass sie das Gerät für gefährlich halten. Ist es das wirklich? Auf dem Papier erfüllt es jedenfalls die Sicherheitsanforderungen: Es wird, wie vorgeschrieben, vor Freigabe auf seine Sicherheit hin überprüft und vom TÜV abgenommen.

Das Klettergerät in Kerpen-Götzenkirchen ist für Kinder ab sechs Jahre geeignet. Ab diesem Alter treffen Kinder beim Erklettern auf Herausforderungen, an denen sie wachsen können. Auf der gewölbten Rutsche ist es gar nicht so einfach, die Balance zu halten und der wackelige Aufstieg zu eben dieser Rutsche über die schwankenden Kletterstangen erfordert ein hohes Maß an Beweglichkeit und Balance. Das Klettergerät ist so konzipiert, dass Kinder, denen es gelingt, über den wackeligen Einstieg zur Rutsche zu gelangen, es in der Regel auch schaffen, sich auf dieser Rutsche entsprechend auszubalancieren und festzuhalten. Falls sie doch mal abrutschen, ist der Schrecken zwar groß, aber schlimmere Blessuren verhindert der 40 cm hohe Sand – ein gesetzlich vorgeschriebener Fallschutz.

Gefährlich wird es erst dann, wenn Eltern – in diesem Fall vielleicht auch aus Mangel an adäquaten Alternativangeboten – ihre Kinder auf das Klettergerät heben und damit die so genannten Einstiegsfilter (z.B. hohe Sprossen) aushebeln. Diese sind extra dafür gedacht, dass nur Kinder der anvisierten Zielgruppe das Klettergerät erklimmen können.

 

Entwicklungschancen zulassen

Wir Eltern neigen dazu, unsere Kinder vor sämtlichen Gefahren zu bewahren. Wenn’s sein muss auch vor seltsam gewölbten, bananenförmig gebogenen Rutschen. Aber dagegen sollten wir bewusst ankämpfen und gerade aus Liebe zu unseren Kindern, auch mal waghalsigeres Spiel zulassen. Konkret heißt das: Lasst die Kinder klettern, rutschen, balancieren und vertraut darauf, dass die das hinkriegen.

Risiko gehört zum kindlichen Spiel dazu und ist lt. DIN Norm für Spielplätze sogar ausdrücklich erwünscht. Denn dadurch trainieren Kinder in einer für sie sicheren Spielumgebung ihre Risikokompetenz – sie lernen Gefahren richtig einzuschätzen und damit umzugehen. Eine für das gesamte Leben elementare Fähigkeit.

 

Dialog schafft Verständnis

Bleibt die Erkenntnis, dass die Stadt Kerpen, aus meiner Sicht, Vieles richtig gemacht hat und auf dem Spielplatz Im alten Hof ein passableres Klettergerät aufgestellt hat, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Hätte man Anwohner und Eltern von Beginn an in den Entscheidungsprozess mit einbezogen, wäre im gemeinsamen Dialog sicherlich viel Ärger und Frust abgefangen worden. Kinder- und Elternbeteiligung bei Spielplatzfragen – vor zwei Jahren in Kerpen noch üblich – ist übrigens von der Politik aus Sparzwängen abgeschafft worden.

Für Kerpen-Götzenkirchen würde ich mir wünschen, dass Eltern und Anwohner dem neuen Klettergerät eine Chance geben und beobachten, wie die Kinder damit zurechtkommen. Besonders begrüßenswert wäre es, wenn aus den kritischen Facebook-Stimmen so etwas wie bürgerliches Engagement für Spielplätze erwachsen würde. Gemeinsam, nicht gegeneinander, arbeiten – das sollte die Devise sein. Vielleicht könnte es dann sogar in einem nächsten Schritt gelingen, auch das Spielangebot für jüngere Kinder zu verbessern? Gute Beispiele für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Bürgern und Städten gibt es, wie z.B. die Geschichte des Spielplatzes Räubertal in Köln zeigt.

Und ihr? Lieber Holz oder Stahl? Wann ist in euren Augen ein Spielgerät eher top oder flop?