Der Spielplatz ist ein Ort für Abenteuer, Aktivitäten, zum Toben und zum Lachen, aber auch zum Streiten. Bei den Kleinen beginnt es häufig mit dem Streit um das Sandspielzeug oder die Rutschreihenfolge. Die Streitanlässe sind vielfältig. Woran liegt das? Müssen Eltern bei jedem Konflikt eingreifen? Und wenn ja, wie? Einige Antworten.
Bereits ganz kleine Kinder suchen die Nähe zu ihren Altersgenossen. Doch die ersten Annäherungsversuche verlaufen selten reibungslos. Eine typische Situation, die alle Spielplatz-Eltern kennen dürften: Euer kleiner Liebling buddelt im Schatten zufrieden vor sich hin. Mit einem Mal schnappt sich das Kind von nebenan ein Förmchen oder den heißgeliebten Sandbagger und schon geht der Ärger los. Da wird der Pinzettengriff gerne mal im Gesicht des Gegenübers angewendet, an den Haaren gezogen, mit Sand geworfen und manchmal mit dem Eimer auf den Kopf gehauen.
Da wird der Pinzettengriff gerne mal im Gesicht des Gegenübers angewendet, an den Haaren gezogen, mit Sand geworfen und manchmal mit dem Eimer auf den Kopf gehauen. Geraten Kinder in Konflikte, fällt es Eltern oft schwer, sich rauszuhalten. Streitigkeiten lösen in der Regel negative Gefühle aus. Die Situation ist einem unangenehm und man fühlt sich vom restlichen Spielplatz-Publikum bei dem verzweifelten Versuch beobachtet, den Konflikt zwischen den Kindern möglichst schnell und unauffällig zu beenden.
Darum ist Streiten wichtig
Dabei ist Streiten gar nicht schlimm. Im Gegenteil: Streiten gehört dazu und ist für die kindliche Entwicklung enorm wichtig. Parallel zur motorischen, sprachlichen und geistigen Entwicklung der Kinder entwickeln und verändern sich die Streitigkeiten. Bei den ganz Kleinen geht es um das Entdecken des eigenen Willens und den des Anderen. Es geht um Geduld und Frustrationstoleranz, die beim Aushalten von Rückschlägen wichtig ist. Sind die Kinder größer, dreht sich viel um das Verstehen von Gruppendynamik. Wie kann ich meine Ideen für Spiele einbringen? Wie können wir bei allen Unterschieden fair miteinander umgehen?
Kinder üben im Spielen das soziale Miteinander und Eltern sind dabei als Wertevermittler gefragt – bei kleineren Kindern aktiv, bei größeren eher begleitend im Hintergrund. Extrem behütenden Eltern – spöttisch manchmal als Rasenmäher-Eltern bezeichnet – fällt letzteres deutlich schwerer. Wobei echte Fürsorge nicht bedeutet, dass Eltern die Konflikte für ihre Kinder lösen. Vielmehr sind Eltern als Partner gefragt, die ihre Kinder altersgerecht an neue Lösungsstrategien heranführen.
Sichere Bindung stärkt Empathie
Um Konflikte zu lösen, brauchen Menschen Empathie. Empathie lernen Kinder allerdings erst nach und nach – frühestens mit Beginn der Autonomiephase. Da Kinder zunächst eine Vorstellung vom eigenen Ich entwickeln, gehen die ersten Ansätze von Empathie immer vom eigenen Ich und den eigenen Bedürfnissen aus. Zum Trösten von anderen Kindern greift ein Kind auf das zurück, was es für sich mag: „Was ich mag, magst du auch“. Ab dem dritten Lebensjahr setzen sich Kinder auf diese Weise mit den Gefühlen anderer Menschen auseinander.
Eine sichere Bindung ist die Basis, damit sich Kinder mitfühlend verhalten. Kinder sollten ihre Eltern im Alltag als mitfühlend wahrnehmen. Dafür ist es nicht nur bedeutsam, was Eltern sagen, sondern auch wie sie etwas sagen. Wunderbar trainieren lässt sich Empathie mit Geschichten. Spannende Buchideen für jedes Vor- und Lesealter laden Kinder in andere Welten ein und ermuntern zum Perspektivwechsel.
Kleinkinder brauchen die Unterstützung ihrer Eltern
Zugegeben, es kann mitunter ganz schön brutal aussehen, wenn das eigene Kind wegen eines Schaufel-Streits einfach umgeschubst wird. Aber die „Attacken“ sind in dem Alter in der Regel nicht böswillig gemeint, sondern lediglich unbeholfene Versuche der Kontaktaufnahme. Mit etwas elterlicher Unterstützung legt sich so ein plötzlicher Streit auch schnell wieder. Der Klassiker – seinem Kind die Schaufel oder das Sandförmchen einfach wegzunehmen und es dem anderen Kind zu geben – ist dabei jedoch die schlechteste Lösung. Eltern sollten akzeptieren, wenn das eigenen Kind sein Spielzeug nicht teilen mag.
Abgeben und Teilen von Spielzeug fällt gerade Kleinkindern noch sehr schwer. Gegenstände besitzen zu wollen und sein Eigentum gegen andere zu verteidigen, ist ein angeborener Instinkt. Er sicherte uns einst als Höhlenmenschen das Überleben. Teilen ist eine soziale Fähigkeit, die erst erlernt wird. Und das ist gar nicht so einfach. Denn Kinder bis zu drei Jahren definieren sich stark darüber, was (zu) ihnen gehört. So kann es starke Verunsicherung und Überforderung auslösen, wenn Eltern sich in den Streit einmischen (auch wenn es gut gemeint ist) und ihrem Kind das Spielzeug wegnehmen. Eltern sollten ihre Kinder keinesfalls zum Teilen zwingen. Besser ist es, vielleicht eine Alternative (eine zweite Schaufel) anzubieten und ggf. das andere Kind zu trösten.
Beginnen Kleinkinder zu sprechen, ist eines der ersten Worte „Nein“. Ein Wort, das geübt werden sollte. Denn wer die eigenen Grenzen mit Worten verteidigen kann, haut und schubst bald weniger. Allerdings müssen Kinder hierfür die Erfahrung machen, dass ihre Grenzen gewahrt werden.
Größere lösen ihre Konflikte selbstständig
Je älter Kinder werden, desto wichtiger ist es, dass sie akute Streitsituationen selbst lösen lernen. Denn greift ständig eine höhere Autorität ein, entwickeln Kinder keine eigenen Konfliktlösungsstrategien. Größere Kindergartenkinder und besonders Vorschulkinder müssen die Zeit und den Freiraum bekommen, Konflikte mit ihren Möglichkeiten zu klären. Für Eltern heißt das, sich bewusst zurückzunehmen, abzuwarten und zu beobachten. Für Mütter und Väter vielleicht der optimale Zeitpunkt, um sich am Rande des Sandkasten einen Schluck Kaffee zu gönnen? 😉
Über Streit sprechen? Bitte wertfrei.
Begleitend ist es sinnvoll, wenn Eltern mit ihren Kindern über Konflikte und die damit verbundenen Gefühle und unterschiedlichen Perspektiven sprechen. Es sollte nie um Schuld gehen, sondern um das gegenseitige Verständnis. Äußern sich Eltern positiv über Kinder, fördern sie die Toleranz. Eltern sollten gut zuhören, wenn Kinder von ihren Konflikten erzählen. Sie sollten nachfragen und ggf. die Perspektive des Gegenübers ergänzen. Wenn ein Kind feststellt, dass eine Geschichte unterschiedliche Perspektiven hat, lernt es die eigenen Gefühle und die des anderen Kindes besser zu verstehen. Und zu guter Letzt: Kinder lernen enorm viel am Vorbild der Erwachsenen. Wenn Eltern ein friedliches und respektvolles Miteinander vorleben, dann werden ihre Kinder es ihnen später gleichtun.
Wie geht ihr mit Streitigkeiten eurer Kinder auf dem Spielplatz um? Wann mischt ihr euch ein und wenn ja, wie?
Titel-Foto: Ein friedlicher Spielmoment- doch schnell kann die Stimmung kippen. ©Arek Socha / pixabay.com
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