Seit vielen Jahren schon unternimmt das KOBRA-Beratungszentrum gemeinsam mit Schulkindern Streifzüge durch Stadtviertel und entwickelt daraus wunderbare Kinderstadtpläne. Was das Besondere an diesen Plänen ist und warum Lehrer zwar gerne mitmachen, aber während der Streifzüge manchmal die Krise kriegen, erfahrt ihr im Artikel.

Kinderstadtplan von Lörrach, farbenfroh und aussagekräftig. Erstellt 2012

KOBRA-Kinderstadtplan von Lörrach, farbenfroh und für Kinder interessant, 2012 erstellt.

Wenn Frank Awender (KOBRA) in eine Schule kommt, um sich dort mit Kindern zu treffen, dann freut er sich jedes Mal sehr auf das, was ihn erwartet. Denn gemeinsam mit den kleinen großen Entdeckern startet er gleich zu einem spannenden Streifzug. Für ein paar Stunden wird er dann die Umgebung aus Kindersicht wahrnehmen und dabei Vieles entdecken, was ihm sicherlich ohne die Hilfe der Kinder, verborgen geblieben wäre. Aber auch manche Kinder werden nach dem Streifzug überrascht sein, dass sie Dinge und Orte ganz in ihrer Nähe entdecken, von denen sie bisher nichts wussten. Ein schöner Nebeneffekt.

KOBRA – das Kommunale Beratungszentrum für BürgerbeteiligungKOBRA_Logo_120-transparent – legt den Fokus seiner Arbeit auf die Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Zu den Tätigkeitsbereichen zählen z. B. die Initiierung und Moderation von Beteiligungsprojekten, die Entwicklung von Spielleitplanungen oder eben die Erstellung von Kinderstadtplänen. Leitgedanke und Kern der Arbeit ist dabei immer die Partizipation der Menschen, die es betrifft!

Die Idee der Kinderstadtpläne ist genauso simpel wie genial: Kinder entwickeln gemeinsam mit den Mitarbeitern von KOBRA im Rahmen eines Schulprojektes einen Stadtplan ihrer Umgebung. Dabei haben die Kinder den Hut auf und legen die Inhalte des Kinderstadtplans selbst fest. So ist sichergestellt, dass der Plan nur das enthält, was für die im Umfeld lebenden Kinder relevant ist. Auch in seiner Farb- und Symbolwelt ist der Kinderstadtplan auf seine junge Zielgruppe zugeschnitten.

Die Karten-Legenden der Kinderstadtpläne sind ansprechend und kindgerecht gestaltet. Kinderstadtplan Balingen.

Die Karten-Legenden der Kinderstadtpläne sind kindgerecht gestaltet, wie hier beim Kinderstadtplan Balingen.

Auf diese Weise entsteht nicht nur ein ansprechendes Produkt für Kinder, sondern dieses Beteiligungsprojekt hat noch einen sehr wertvollen (Neben)-Effekt: Indem die Kinder von der Vorbereitung (Fragebogen) über die Durchführung (Streifzüge) bis hin zur Gestaltung (Malwettbewerb für das Coverbild) und Präsentation in der Öffentlichkeit (Pressetermin) aktiv ins Geschehen mit eingebunden sind, erfahren sie wie sich Teilhabe am gesellschaftlichen Leben anfühlt und dass sie selbst etwas bewirken können.

Die Kinder präsentieren stolz ihren selbst entwickelten Kinderstadtplan in Achern 2010, Foto: KOBRA

Stolz präsentieren die Kinder ihren selbst entwickelten Kinderstadtplan in Achern 2010, Foto: KOBRA

Das Gesamtkonzept kommt an. Seit 2000 gibt es die KOBRA-Kinderstadtpläne. Bis heute sind weit über 130 Kinderstadtpläne gemeinsam mit Kindern entwickelt worden. Immer neue Städte und Kommunen beauftragen KOBRA mit der Erstellung eines Kinderstadtplans.

 

Kinder kennen sich bestens in ihrem Viertel aus

Wenn Awender von einer Kommune oder Stadt beauftragt wird, einen Kinderstadtplan zu entwickeln, kontaktiert er die Schulen vor Ort. Meistens stößt er auf großes Interesse. Und so ist ein Vormittagstermin für einen gemeinsamen Streifzug durch die Umgebung in der Regel schnell gefunden.

Am liebsten arbeitet KOBRA mit Schülern der 3. und 4. Klassen zusammen. In dieser Altersgruppe gibt es die besten Ergebnisse, weiß Awender aus Erfahrung: „Neun- und zehnjährige Kinder haben gegenüber Schulanfängern bereits einen erweiterten Aktionsradius. Dieser ist aber noch nicht so groß wie bei Schülern von weiterführenden Schulen. Wir treffen in der Grundschule also auf Kinder, die sich dort, wo sie vormittags zur Schule gehen, auch nachmittags aufhalten. Der direkte Bezug zum Wohngebiet ist da und die Kinder kennen sich bestens in ihrem Viertel aus.“

Frank Awender beim Streifzug mit Schulkindern, Foto: KOBRA

Frank Awender (rechts) beim Streifzug mit Schulkindern, Foto: KOBRA

 

Wo sind eure Spielorte und Treffpunkte?

Bevor sich die Schüler zum Streifzug aufmachen, treffen sie sich mit einem Mitarbeiter von KOBRA in der Klasse und besprechen gemeinsam, worum es geht. Auch werden die Fragebögen ausgewertet, die die Kinder in Vorbereitung zum Projekt vorher ausgefüllt haben.

Bettina Völkel, KOBRA-Mitarbeiterin, bei den Streifzugvorbereitungen in einer Klasse in Waldshut-Tiengen. Foto: Sciarrino

Bettina Völkel, KOBRA-Mitarbeiterin, bei den Streifzugvorbereitungen in einer Klasse in Waldshut-Tiengen. Foto: Sciarrino

Der Fragebogen ist wichtig, damit sich die Kinder und Lehrkräfte auf das Thema einstimmen und sich schon mal vorab Gedanken zum unmittelbaren Lebensumfeld machen. So schreiben die Kinder vorher die Plätze und Orte ihrer Wohnumgebung auf, die sie in ihrer Freizeit erkunden, an denen sie sich mit ihren Freunden treffen und die sie als ihre Spielorte definieren. Wichtig sind auch all die Dinge, die aus Sicht der Kinder UNBEDINGT mit in den Stadtplan müssen: Mauervorsprünge, steile Hänge, Kletterbäume, eine Versteck-Ecke im Park, bestimmte Plätze oder Gebäude – das sind oft Dinge oder Orte, die in einem Stadtplan für Erwachsene kaum eine Rolle spielen oder überhaupt nicht von Bedeutung sind. In einem Kinderstadtplan sind sie wichtig. Auch Stellen, die die Kinder eher meiden (insbesondere im Straßenverkehr), weil sie diese als gefährlich erachten, werden abgefragt.

Auch Begrenzungspöller können für Kinder relevante Spielorte sein. Foto: KOBRA

Auch Begrenzungspöller können für Kinder relevante Spielorte sein. Foto: KOBRA

Anhand dieser Informationen wird gemeinsam mit den Schülern die grobe Route für den Streifzug festgelegt. Das ist wichtig, denn so läuft die Gruppe nicht planlos im Zickzack und es bleibt während der Tour genügend Zeit, alle vorher besprochenen Ziele anzusteuern.

Trotz gründlicher Vorbereitung gehört bei der Arbeit mit Kindern eine gute Portion Improvisation und Spontanität dazu, wie Awender aus Erfahrung weiß: „Ein Highlight gibt es aus Sicht der Kinder immer und dazu noch zwei, drei Dinge, die unbedingt mit in den Stadtplan sollen. Der Rest ergibt sich dann unterwegs auf der Strecke, wenn die Kinder zum Beispiel spontan sagen: „Moment, da vorne ist noch ein Kletterbaum, den würde ich gerne zeigen und da vorne, fällt mir eine ziemlich gefährliche Stelle ein.““

 

„Wenn die ihr okay geben, ist das wasserdicht“

Manchmal gibt es aber auch Orte, die die Kinder zwar spannend finden, die es jedoch trotzdem nicht in den Kinderstadtplan schaffen, Baustellen zum Beispiel. Sie üben eine große Faszination auf Kinder uns und sind deshalb immer großes Thema bei den Streifzügen, weiß Awender zu berichten: „Da stehe ich dann immer mit den Kindern und diskutiere, dass diese Baustellen nicht in den Stadtplan kommen, weil die in der Regel schon weg sind, wenn der Plan in den Druck geht.“

Baustellen sind immer Thema bei den Streifzügen. Foto: KOBRA

Baustellen sind immer Thema bei den Streifzügen. Foto: KOBRA

Schwierig wird es auch mit Orten, die auf einem Privatgelände liegen. Diese bleiben meistens außen vor, da die Kinderstadtpläne in der Regel den öffentlichen Raum abbilden. Nur in Ausnahmefällen gelingt es über die Stadt vom Eigentümer eines Grundstücks die Genehmigung für den Eintrag in den Kinderstadtplan zu erhalten, und dann steht auch mal ein privates Mäuerchen im Plan. „Wenn die ihr okay geben, dann ist das wasserdicht und kommt in den Stadtplan.“, erläutert Awender seine Vorgehensweise und erinnert sich an einen Streifzug in Lörrach: „Da gab es eine Gegend mit relativ großen Wohnblocks und dazugehörigen Garagen. Darauf sind die Kinder begeistert herumgeklettert. Aber das haben wir dann nicht in den Stadtplan eingetragen, weil das private Garagen waren.“

 

Hoch hinaus: attraktiv und heikel zugleich

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Kletterbäume sind bei jedem Streifzug schwer angesagt. Foto: KOBRA

Das Thema „Klettern“ steht bei Kindern grundsätzlich hoch im Kurs, so auch bei den Streifzügen. Kletterbäume sind immer attraktiv für Kinder. Und so wundert es nicht, dass auch bei Neuauflagen der Stadtpläne – nach drei oder vier Jahren nach der Entstehung, hat sich in der Regel so viel verändert, dass die Beteiligung mit den Kindern neu gemacht wird, damit die Legende des Stadtplans stets aktuell ist – die Kletterbäume immer wieder genannt werden.

Was für Kinder das Größte ist, löst allerdings bei vielen Erwachsenen Ängste aus. Nicht selten verbieten Lehrer den Kindern sogar, die Kletterbäume auf den Streifzügen auszuprobieren, bedauert Awender: „Mit dem Finger darauf zeigen, ja, aber zeigen, wie toll man klettern kann, bitte erst nachmittags, wenn die Aufsichtspflicht der Lehrer vorbei ist. Das ist schade, finde ich. Allerdings kenne ich natürlich die Eltern nicht und je nachdem wie die drauf sind, kann ich die Sorge der Lehrer auch verstehen.“ 

„So gute Schuhe habe ich gar nicht an“

Obwohl inoffizielle Spielräume wie Kletterbäume, Mauern, Drachenwiese, steile Hänge, Hecken, oder Plätze bei den Streifzügen fokussiert werden, spielen auch öffentliche Spielplätze aus Kindersicht eine große Rolle. Das ist insofern nicht verwunderlich, als dass Kinder von klein auf mit ihren Eltern auf Spielplätzen unterwegs und die Kinder mit den Spielplätzen vor Ort vertraut sind.

Wenn sich die Kinder einem Spielplatz nähern, verhalten sie sich übrigens immer ähnlich, hat Frank Awender über die Jahre beobachtet: „Jungs stürzen sich immer sofort auf alles, was Action macht. Wenn es diese Karussells gibt, dann drehen die solange, bis die ersten runterfliegen. Die Lehrer kriegen dann manchmal die Oberkrise, weil alle Alarmglocken läuten. Mädchen hingegen belagern sofort die Nestschaukeln.“ Auch findet Awender die Beobachtung interessant, dass Kinder einen Spielplatz häufig gar nicht als solchen wahrnehmen, wenn Schaukel und Rutsche fehlen.

Auf dem Spielplatz haben die Kinder viel Spaß beim Schaukeln, wie hier beim Streifzug in Waldshut-Tiengen. Foto: KOBRA

Auf dem Spielplatz haben die Kinder viel Spaß beim Schaukeln, wie hier beim Streifzug in Waldshut-Tiengen. Foto: KOBRA

Je nachdem, auf welche Gruppe Frank Awender trifft, gestalten sich Streifzüge völlig unterschiedlich: „Manchmal haben wir Klassen, da denke ich: Mein Gott, die dürfen ja gar nicht zur Tür raus. Und manchmal sind wir mit Klassen unterwegs, da merke ich schnell, so gute Schuhe habe ich gar nicht an, dass ich überall mitgehen kann, wo die mich hinführen.“

Verschnaufpause beim Streifzug in Balingen 2013, Foto: Awender

Verschnaufpause beim Streifzug in Balingen 2013, Foto: KOBRA

Kinder dürfen schon merken, dass das Geld kostet

Finanziell ist die Erstellung eines Kinderstadtplans auch in Zeiten knapper Kassen für viele Kommunen zu stemmen. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Kommunen meist nur ca. die Hälfte der anfallenden Kosten selbst tragen müssen. Der zweite Teil wird durch Werbeanzeigen von Sponsoren (meist Energieversorger wie badenova, regionale Verkehrsbetriebe, Stadtwerke, Volksbanken, Sparkassen) refinanziert. Dabei lautet die Devise: So wenig Werbung wie möglich und so viel wie nötig. Und das findet Awender auch in Ordnung, denn „die Kinder dürfen schon merken, dass die Entwicklung eines solchen Kinderstadtplanes Geld kostet und man nicht alles geschenkt haben kann.“ Für die Kinder sind die Stadtpläne übrigens gratis. Sie liegen im Rathaus oder im Bürgerbüro aus und können dort abgeholt werden.

Eine weitere Besonderheit der Kinderstadtpläne und ein scharmanter Ausgleich zu den Werbeanzeigen sind die Kinderzeichnungen auf dem Cover und auf der Rückseite der Pläne. Die Bilder der Kinder werden jeweils im Rahmen eines Malwettbewerbs von einer Jury oder manchmal auch vom Bürgermeister ausgewählt. Eine schöne Idee, um die Stadtpläne noch individueller und einzigartiger zu gestalten.

Die Kinderzeichnungen sind ganz besonderes Kennzeichen der KOBRA Kinderstadtpläne.

Die Kinderzeichnungen auf dem Cover und der Rückseite sind ganz besonderes Kennzeichen der KOBRA Kinderstadtpläne.

Kinderstadtpläne auch im Internet

Die KOBRA Kinderstadtpläne gibt es nicht nur als Printversion vor Ort. Sie stehen auch zum kostenlosen Download im Netz zur Verfügung. Ein toller Service!

Die Spielplätze von Waldshut gibt's jetzt im Doppelpack.

Die Spielplätze von Waldshut gibt’s jetzt im Doppelpack: Als gedruckten Kinderstadtplan und zum Anklicken im Netz.

Ganz besonders freuen wir uns darüber, ab sofort Partner von KOBRA zu sein. Ziel unserer Kooperation ist es, die Informationen zu den Spielplätzen aus den Kinderstadtplänen online via Spielplatztreff zur Verfügung zu stellen. Waldshut-Tiengen und Kandern – beides Kommunen mit KOBRA Kinderstadtplänen – haben inzwischen damit begonnen, Spielplätze auf Spielplatztreff einzutragen. Weitere Spielplätze und Kommunen werden folgen. Außerdem

Wenn ihr als Eltern die Kinderstadtpläne auch so toll findet, dann fragt gerne mal bei euren Stadtvertretern nach, ob die Möglichkeit besteht, einen solchen Kinderstadtplan auch für eure Umgebung zu entwickeln. Falls Sie als Kommune oder Stadt Interesse haben, wenden Sie sich gerne direkt an KOBRA. Außerdem freuen wir uns, wenn Sie Spielplatztreff nutzen, um das Angebot an öffentlichen Spielplätzen in Ihrer Stadt online zu präsentieren.