Abgebaute Spielgeräte, gesperrte Spielplätze, leere Spielplatz-Kassen. Das ging den Verantwortlichen in Berlin Spandau so richtig gegen den Strich. Sie entwickelten das Projekt „Raum für Kinderträume“, holten Sponsoren und Spielplatzpaten mit ins Boot und veränderten ihre Sicht auf Spielplätze. Seitdem ist wieder Lebendigkeit auf Spandauer Spielplätzen eingekehrt – das zeigt sich auch im Mai und Juni, wenn nun bereits zum 7. Mal die Spandauer Spielplatztage gefeiert werden.
Herr Röding, was ist die Idee Ihres Projektes?
Das Projekt „Raum für Kinderträume“ ist ein Sponsoring-Projekt für Spielplätze des Bezirkes Berlin Spandau. Das Bezirksamt Spandau von Berlin schafft so gemeinsam mit seinen Partnern saubere, sichere und schöne Spielplätze in Spandau. In unser Projekt binden wir Paten aus der freien Wirtschaft, aus Stiftungen, Verbänden, Organisationen und Vereinen mit ein, so dass wir mit diesen zusätzlichen finanziellen Mitteln neue Spielplätze und -geräte bauen bzw. bestehende Spielflächen sanieren können und verbessern damit die Spandauer Spielplätze dauerhaft.
Unser Konzept ist nachhaltig angelegt. Das heißt, es geht uns auch darum, die geschaffenen Spielflächen durch langfristige Kooperationen zu bewahren. Das Engagement unserer Partner machen wir auf dem jeweiligen Spielplatz sichtbar.
Carsten Röding ist als Baustadtrat verantwortlich für die Spielplätze in Berlin Spandau und Ideengeber und Initiator des Projektes „Raum für Kinderträume“. Innerhalb von sechs Jahren konnten 300.000 Euro an privaten Sponsorengeldern gesammelt und 30 der 99 öffentlichen Spielplätze umfangreich saniert werden. Ein Weg mit Zukunft?
Können sich interessierte Eltern ins Projekt mit einbringen?
Ja, sehr gerne. Ein wichtiger Bestandteil unseres Projektes sind die ehrenamtlichen Spielplatzpaten. Das können Eltern sein, aber auch Vereine, Schulen, Kitas, etc.. Wir freuen uns über jede Unterstützung. Mittlerweile haben wir knapp 30 Paten bei 100 Spielplätzen und inzwischen kommen auch Leute von selbst auf uns zu, weil sich das rumspricht.
Die Hürden, sich dort ehrenamtlich zu engagieren, sind relativ gering. Es geht darum, dass man sagt: „Ich fühle mich für meinen Spielplatz, der mir etwas bedeutet, mit verantwortlich, und für den möchte ich Verantwortung übernehmen.“ Wie das im Einzelnen aussieht, kann sehr unterschiedlich sein. Bei unseren jährlichen Spandauer Spielplatztagen haben Spielplatzpaten zum Beispiel die Gelegenheit, ihre kreative Seite zu zeigen. Auf „ihren“ Spielplätzen organisieren sie bunte Feste mit unterschiedlichsten Aktionen.
Wie sah die Situation in Spandau vor Projektstart aus?
Ziemlich düster. Fünf der knapp 100 Spandauer Spielplätze waren damals teilweise oder komplett gesperrt, als wir mit dem Projekt anfingen. Und es gab einige Spielplätze auf denen der Großteil der Spielgeräte aus sicherheitstechnischen Gründen abgebaut werden musste.
Auch weil jahrelang das Geld fehlte, gab es überall Sanierungsstau. Besonders schwierig ist es bei Spielplätzen, weil man sofort reagieren muss, wenn Sicherheitsmängel festgestellt werden. Wir können ja nicht sagen: „Lassen wir mal die Kinder spielen bis wir das Geld für das neue Gerät zusammenhaben, wird schon nichts passieren.“ Also versuchen wir zunächst zu reparieren, wenn das nicht geht, müssen wir das Gerät sperren, abbauen oder den Spielplatz ganz schließen.
Welche besonderen Spielplätze konnten Sie mit den Sponsorengeldern realisieren?
Zum Beispiel unser Biberburg Spielplatz. Da wir viel Wasser in Spandau haben, gibt es bei uns tatsächlich frei lebende Biber mit einer Biberburg. Und ganz in der Nähe dazu gibt es einen Spielplatz. Diesen Spielplatz haben wir mit Hilfe der Baumarktkette OBI zu einem Themenspielplatz umgebaut – mit einigen Lerntafeln und einer Biberburg als Hauptspielgerät.
Inzwischen haben wir auch einen sanierten Spielplatz und einen Neubau mit barrierefreien Angeboten ausgestattet. Es gibt dort zum Beispiel ein Rollstuhlfahrer-Karussell und die Rutschen und Schaukeln sind so gestaltet, dass man sie aus dem Rollstuhl erreichen kann. Bei der Planung ist hier die Frage der Wegeführung ganz entscheidend – wie komme ich an die Geräte ran? Unser Partner Vattenfall war hier als Sponsor maßgeblich beteiligt, über den die Mehrkosten für die barrierefreien Geräte abgedeckt werden konnten.
Blinken auf diesen Spielplätzen nun überall Werbetafeln?
Zu Beginn war die politische Sorge groß, dass genau das der Fall sein würde. Es wurde befürchtet durch das Sponsoring würden bald überall auf unseren Spielplätzen riesige Werbetafeln mit den Logos und Produkthinweisen der Sponsoren erscheinen. So ist es aber nicht gekommen und es bestand auch nie die Gefahr.
Auf den Spielplätzen selbst finden sich kleine Aufkleber (10,5 x 7,5 cm), die wir an bestimmte Spielgeräte kleben. Das heißt, man sieht, wer uns unterstützt hat, die Info erschlägt einen aber nicht. Wir machen das Engagement unserer Partner sichtbar – über die Aufkleber, über Plakate, Flyer, Veranstaltungen, natürlich auch über unsere eigene Internetseite – aber eben eher zurückhaltend. Und dass dieser Ansatz funktioniert, zeigt die steigende Zahl der Partner. Wir haben vor sechs Jahren mit drei bis fünf Partnern angefangen, inzwischen unterstützen uns 10 bis 15 Sponsoren mit teilweise langfristigen Kooperationsverträgen über mehrere Jahre.
Vieles läuft übrigens auch über die interne Kommunikation der Unternehmen, die wissen, dass sie von dem positiven Image ihres gesellschaftlichen Engagements (CSR) profitieren. Die Firmenkunden und die eigenen Mitarbeiter sehen, dass sich das Unternehmen um die Stadt kümmert. Das wird sehr positiv wahrgenommen. Bei unserem Partner Vattenfall haben die Mitarbeiter sogar einmal bei einer Weihnachtsfeier knapp 1000 Euro für unser Projekt gesammelt, weil sie so begeistert waren, dass sich ihr Unternehmen bei „Raum für Kinderträume“ engagiert.
Hat das Projekt Ihre eigene Sichtweise auf Spielplätze verändert?
Ja. Unser Denken hat sich völlig verändert. Wir gehen heute ganz anders an das Thema Spielplätze heran. Früher hätten sich unsere Leute Spielgeräte aus dem Katalog rausgesucht und das Ganze geplant. Mittlerweile werden Kinder und Anwohner immer in die Planung mit einbezogen. Natürlich auch die Sponsoren. Außerdem gibt es Wettbewerbsverfahren für die Auswahl des passenden Spielplatzkonzeptes. Hier machen Spielplatzbauer Angebote und eine Jury entscheidet.
Heute machen wir viel mehr Themenspielplätze, weil unsere Erfahrung ist, dass die Kinder sich mehr damit identifizieren. So entstanden unter anderem der Räuberspielplatz, der Zwergenspielplatz, der Piratenspielplatz, der Baustellenspielplatz oder der schon erwähnte Biberburg Spielplatz. Die Spielplatzbauer können heute extrem kreativ sein und es kostet nicht immer unbedingt mehr Geld.
Was gehört für Sie zu einem guten Spielplatz?
Ein Spielplatz sollte die Fantasie der Kinder anregen. Er sollte gute und vielfältige Funktionen für Kinder in unterschiedlichen Altersstufen und mit unterschiedlichen motorischen Fähigkeiten anbieten. Er darf – im Rahmen der Sicherheitsbestimmungen – auch durchaus herausfordern. Man darf Kindern mehr zutrauen. Der bereits erwähnte Biberburg Spielplatz ist ein gutes Beispiel dafür. Da haben wir eine sechs Meter hohe Biberburg als Spielgerät kreieren lassen. Die ist zusammengebaut aus einzelnen Holzstämmen, innen ist eine Höhle und die Kinder können reinklettern und runterrutschen. Aber auch von außen lässt sich die Burg beklettern, vier, fünf Meter hoch. Das war vom TÜV so abgenommen.
Da haben Anfangs die Eltern und Großeltern regelmäßig Krisen bekommen: „Das geht doch nicht, die Kinder fallen doch runter.“ Und als sich dann mal jemand den Arm gebrochen hatte, da war das Thema ganz groß. Aber die Erfahrung hat gezeigt, die Kinder kriegen das hin. Mittlerweile gibt’s darüber keine Beschwerden mehr, damals war es eben neu.
Haben Sie das Thema auch angepackt, weil Sie selbst Vater sind?
Das ist sicherlich auch ein Grund. Ich bin als Vater zweier Kinder natürlich selbst oft auf den Spandauer Spielplätzen unterwegs gewesen. Und ich konnte die Beschwerden von den Bürgern gut nachvollziehen, weil ich die Situation persönlich kannte. Es sind immer wieder Dinge an mich herangetragen worden: „Der Spielplatz ist gesperrt, dieser ist kaputt, ein anderer nicht so sauber, macht doch mal was.“ Wir können ja nicht immer nur sagen: Wir machen den Spielplatz zu oder dies und das geht nicht. Damit wollte ich mich nicht zufrieden geben. Und deshalb freue ich mich umso mehr, dass unser Projekt so ein Erfolg ist.
Empfinden Sie es als Armutszeugnis, dass sich eine Stadt keine eigenen Spielplätze mehr leisten kann?
Natürlich ist es ein Armutszeugnis, wenn man als Spielplatzverantwortlicher nur noch Spielgeräte abbaut und Sandflächen übrig bleiben. Das haben wir nie gewollt und ganz so schlimm war ja die Situation in Spandau auch noch nicht. Aber wir sehen das Spielplatz-Sponsoring, so wie wir es organisieren, auch als Chance. Durch die Zusammenarbeit zwischen Öffentlicher Hand und Privatwirtschaft gelingt es, mehr gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit für dieses wichtige Thema Spielplatz zu erreichen und nachhaltig zu wirken.
Denn eins ist klar: Spielplätze sind zwar nicht billig, aber im Gegensatz zum Bau einer Straße beispielsweise, kostet ein Spielplatz eher wenig. Doch da Spielplätze in der Regel keine starke Lobby haben, nimmt man sie eher nebenbei wahr, „ach, da gibt’s einen Spielplatz“… Aber dass der Spielplatz für viele eine größere Bedeutung hat, dass der Spielplatz ein kostenloser sozialer Treffpunkt für viele ist, dass Spielplätze Orte sind, an denen Kinder sich begegnen, sich bewegen, etwas lernen können. Das wird zu wenig gesehen.
Haben Sie Tipps für Kommunen, die Ihr Sponsoring Konzept übernehmen wollen?
Ganz wichtig: Wenn man Unternehmen ansprechen will, muss es persönlich sein, man muss die Leidenschaft spüren, aber es muss auch professionell sein. Wir haben uns damals extra ein Kommunikationskonzept erstellen lassen. Sowohl bei den eigenen Mitarbeitern als auch in der politischen Führung muss man Leute haben, die das Projekt mit Leidenschaft füllen. Man braucht auch ein paar von den Verantwortlichen, die einen Bezug zu Kindern haben und wissen, dass das wichtig ist.
Eine gute Stimmung als Grundlage ist wichtig. Wenn man nur Mitarbeiter hat, die sagen: „Mir egal, ich bin froh, wenn ich meine Spielplätze sauber kriege“, dann wird’s unglaublich schwer. Und man braucht ein paar Unterstützer, die sagen, wir fangen einfach an und starten mit einem Pilotprojekt. Außerdem zeigt unsere Erfahrung, es funktioniert nur, wenn man sich kontinuierlich kümmert. Deshalb bin ich auch sehr froh, dass Simone Maier, unsere Projektkoordinatorin, das so hervorragend und leidenschaftlich macht.
Andere Berliner Bezirke erkundigen sich inzwischen nach unserem Sponsoring-Konzept für Spielplätze. Wir geben unsere Erfahrungen gern weiter und freuen uns mit dem Projekt „Raum für Kinderträume“ sogar Vorbild für andere zu sein.
War Ihr Team von Anfang an Feuer und Flamme für Ihre Idee?
Ich muss sagen, ich hatte schon großes Glück mit meinem Team. Natürlich gab’s auch bei uns anfangs die Bedenkenträger: „Das schaffen wir nicht. Das ist zusätzliche Arbeit. Wie soll das funktionieren?“ Man muss die Bedenken ernst nehmen, aber man muss auch nicht nur in Bedenken leben, sondern die Chancen nutzen und mit anpacken.
Wir investieren heute mehr in den Planungsprozess als vorher. Dafür läuft es aber hinterher viel runder und mit den Ergebnissen sind alle zufriedener. In unserem Team ist die Leidenschaft schließlich sogar noch gewachsen. Denn der Erfolg ist ja auch eine Wertschätzung der Arbeit.
Ist Spielplatz-Sponsoring Ihr Weg für die Zukunft?
Ja. Denn wir spüren die positive Resonanz der Bevölkerung und der Sponsoren und wir sehen, dass wir vorankommen. Auch wenn wir natürlich dadurch keine heile Spielplatzwelt in Spandau geschaffen haben. Unsere Haushaltssituation ist nach wie vor schwierig und ein Spielplatz ist bereits seit über einem Jahr ganz gesperrt.
Es wäre schön, wenn unser Projekt so viele langfristige Sponsoren finden würden, dass wir auch mal spontan helfen und ein Gerät reparieren bzw. ersetzen könnten. Dafür bräuchten wir natürlich auch einige große überregionale Unternehmen. Ich würde mich riesig freuen, wenn Firmen wie JAKO-O, Playmobil, Cornelsen oder auch die Bertelsmann Stiftung sagen würden, wir verpflichten uns mal für fünf Jahre, weil wir gesehen haben, dass es funktioniert, aber nach wie vor nötig ist. Besonders lustig wär’s, wenn Herr Müller (Milch) bei Frau Maier, meiner Mitarbeiterin für „Raum für Kinderträume“, anrufen würde 😉
Vielen Dank für dieses interessante Gespräch und viel Erfolg für Ihr ambitioniertes Projekt und schöne Spandauer Spielplatztage 2013!
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