Seit gut einem Jahr lädt der soziale Indoorspielplatz „PlayTogether“ in Leipzig zum Spielen ein und setzt sich mit einem besonderen Konzept für mehr Toleranz und Verständigung ein. Inzwischen wird der Indoorspielplatz sogar als Geheimtipp gehandelt, auch deshalb, weil die Mitarbeiter das Herz am richtigen Fleck haben, wie uns Lutz Schumann, Projektmanager des PlayTogether, erzählt.
Herr Schumann, worauf sind Sie nach dem ersten Jahr besonders stolz?
Lutz Schumann: Am Glücklichsten bin ich über unsere 11.534 Gäste, die das PlayTogether im letzten Jahr besucht haben. Ob das die Kindergruppen am Vormittag sind, die Gäste am Nachmittag oder die erreichten PädagogInnen… überall liegen wir
über den anvisierten Zahlen aus dem Förderantrag für das Bundesprogramm „Demokratie leben“, über welches wir finanziert werden. Fast 12.000 Gäste im ersten Jahr zeigen uns, dass das Konzept funktioniert. Wir merken, dass man uns in der Stadt mehr und mehr kennt und wir mittlerweile sogar schon als Geheimtipp gehandelt werden. Unsere Gäste kommen auch aus anderen Stadtteilen oder Randgebieten zu uns.
Lief denn von Beginn an alles reibungslos?
Ehrlich gesagt, gerade am Anfang war alles ein bisschen heikel. Erst einen Tag vor der Eröffnung kam der TÜV und hat den Spielplatz abgenommen. Der Brandschutz kam sogar erst am Tag der Eröffnung. Es grenzte fast schon an ein kleines Wunder, dass wir überhaupt pünktlich gestartet sind. Aber seit der planmäßigen Eröffnung im Januar 2017 läuft es rund. Darauf sind wir sehr stolz.
Das PlayTogether ist kostenlos und speziell für einkommensschwache Familien und Flüchtlingsfamilien gedacht. Warum?
Es gibt fünf oder sechs Indoorspielplätze in Leipzig, aber da zahlt man mit zwei Kindern und zwei Erwachsenen ganz schnell 40 bis 50 Euro. Gerade in unserem Stadtteil gibt es viele Familien, die sich so etwas nicht leisten können. Hinzu kommt, dass 2016 viele Flüchtlinge zugewandert sind, für die es erst Recht keine Angebote gab. Also haben wir gedacht, wenn wir hier einen kostenlosen Spielplatz anbieten, schaffen wir es vielleicht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Einerseits die Inklusion derer, die hier zugewandert sind. Und andererseits den Abbau von Vorurteilen auf Seiten sozial Benachteiligter. Welche Vorurteile sind das?
Häufig besteht ein gewisses Konkurrenzdenken und es wird angenommen, die staatlichen Leistungen, die den Flüchtlingsfamilien zugute kommen, entgehen den sozialschwachen Familien. Da ist ein Austausch gut und wichtig, um Vorurteile und Berührungsängste abzubauen. Wir haben beobachtet, dass gerade durch die regelmäßigen Besuche auch die Eltern miteinander ins Gespräch kommen. Es bedarf natürlich einer gewissen Beschnupperungsphase und manchmal nehmen wir unsere Gäste auch ein bisschen an die Hand. Aber mit unserer Unterstützung sind die Hemmnisse schnell abgebaut. Abgesehen davon ist es für manche Eltern aber auch einfach mal schön, sich auszuruhen oder sich in unsere Leseecke zu setzen. Das ermöglichen wir auch.
Erreichen Sie denn im PlayTogether die gewünschten Zielgruppen?
Ja. Ein Drittel unserer Gäste sind Flüchtlingsfamilien, ein Drittel sozial benachteiligte Familien und ein Drittel der Familien kommen aus gesicherten Einkommensverhältnissen. Diese drei Gruppen halten sich in etwa die Waage, worüber ich ganz froh bin. Denn gesellschaftliche Integration findet auf allen Ebenen statt. Deshalb ist es wichtig, dass auch Gäste mit gesichertem Einkommen als Ansprechpartner vor Ort fungieren. Diese Zahlen beruhen jedoch auf unseren persönlichen Schätzungen. Wir wollen von unseren Gästen keinen Leipzig-Pass sehen, damit das PlayTogether tatsächlich ein geschützer Raum für sie ist, wo derartige Verhältnisse keine Rolle spielen. Im PlayTogether treffen verschiedene Kulturen und Lebenswelten aufeinander und die Kinder können gemeinsam spielen.
Haben Sie ein speziell geschultes Mitarbeiter-Team?
Bei uns arbeiten unglaublich engagierte Menschen mit einem hohen Grad an Empathiefähigkeit. Allen geht es in erster Linie um Menschlichkeit und um den respektvollen Umgang miteinander. Unsere Aufsichtskräfte wissen um die Barrieren und Hemmschwellen und versuchen bewusst, Momente zu erkennen, erste Impulse zu setzen, um Begegnungen und Gespräche zu ermöglichen.
Damit das gelingt, ist eine meiner wichtigsten Aufgaben, die Belange, die nichts mit dem direkten Geschehen vor Ort zu tun haben, von meinem Team fernzuhalten. Unsere Betreuer können besser auf die Gäste eingehen, wenn sie nicht tausend andere Dinge im Hinterkopf haben, um die sie sich zusätzlich kümmern müssen.
Auch der Zugang über die Sprache ist natürlich wichtig, denn in vielen Familien sprechen die Kinder besser Deutsch als die Eltern. Wir haben das große Glück, dass eine Syrerin mit uns arbeitet. Dadurch haben wir muttersprachlich Arabisch und Kurdisch abgedeckt. Auch eine unserer beiden Pädagoginnen im Team lernt Arabisch.
Das PlayTogether bietet nicht nur gemeinsame Spielzeiten, sondern auch spezielle Programme, in denen Kinder mehr über Toleranz und Verständigung lernen…
Genau. Das ist ein wesentlicher Teil unseres Konzeptes. Wir bieten an vier Vormittagen pro Woche zu inzwischen drei verschiedenen Themen Programme an. Diese können von Kindergärten und Grundschulen kostenlos gebucht werden und werden von unseren beiden pädagogischen Fachkräften angeleitet.
Heute zum Beispiel hatte eine Kindergartengruppe das Programm „Bissiges Wort“ gebucht. Darin geht es um die Auswirkung von Schimpfworten und um die Sensibilisierung für die Gefühle, die damit verbunden sind. Unser Programm “Irgendwie anders“ beschäftigt sich mit der Akzeptanz und Toleranz gegenüber Menschen, die anders sind als man selbst. Zu diesen beiden Programmen kriegen wir immer wieder positive Rückmeldungen und wir haben jetzt schon Buchungen bis in den März hinein.
Und seit diesem Jahr gibt es ein drittes Programm…
Ja, neu dabei ist das Programm „Stark sein – Nein sagen!“. Hier werden Kinder dafür sensibilisiert, auch mal „NEIN“ zu sagen und darin bestärkt von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Dieses Programm haben wir auf Wunsch der MultiplikatorInnen erarbeitet. Deshalb sind wir guter Dinge, dass es ebenfalls eine gute Resonanz finden wird.
Außerdem ist im Laufe dieses Jahres, aber vor allem für 2019 geplant, pädagogische Handreichungen zu unseren Programmen für MultiplikatorInnen zu erstellen. Diese können dann kostenlos online abgerufen werden, damit langfristig auch andere Einrichtungen von unseren Erfahrungen profitieren und sich die Idee des sozialen Indoorspielplatzes in und außerhalb von Leipzig weiter verbreitet.
Das PlayTogether wird vom ökumenischen Verein „Pavillion der Hoffnung in Leipzig e.V.“ betrieben. Spielt die Vermittlung christlicher Religion eine Rolle in Ihrer Arbeit?
Im Kern gar nicht. Wir sind alle Menschen und da unterscheidet sich erstmal keiner vom anderen. Uns ist wichtig, dass die Menschen, egal welcher Kultur oder Religion sie angehören, im PlayTogether einen Ort wissen, an dem sie sich frei bewegen und austauschen können, natürlich auch über andere Religionen. Ich glaube außerdem, wir würden viele unserer Gäste gar nicht erreichen, wenn das PlayTogether als christliches Projekt laufen würde. Viel mehr geht es um den Geist, der dahinter steht. Es geht um Nächstenliebe, um Aufopferungsbereitschaft für die Gemeinschaft. Das ist das Vorrangige und das bildet sich vor allem in den Herzen der Mitarbeiter ab und deren respektvolle Art und Weise mit den Menschen umzugehen.
Abgesehen davon profitieren wir natürlich ganz enorm davon, dass das PlayTogether Bestandteil einer etablierten Institution wie dem Pavillon der Hoffnung ist. Sei es die Flüchtlingshilfe, die Integrationshilfe, das Kulturwerk (Musikschule), die AHF-Grundschule, die Kontakte zu Müttervereinen usw. Falls ein Anliegen unserer Gäste unser eigenes Wissen überschreitet, finden sich im Pavillon der Hoffnung immer kompetente Ansprechpartner.
Wie geht es mit dem PlayTogether weiter?
Wir haben, Dank des Förderprogramms „Demokratie leben“ und der Kofinanzierung durch „Weltoffenes Sachsen“, noch zwei Jahre Zeit, uns in der Stadt zu etablieren, unser Netzwerk auszubauen und unseren Erfahrungsschatz zu vergrößern. Zu gegebenem Zeitpunkt können wir dann mit einem überzeugenden Gesamtpaket an potentielle Spender herantreten und dafür werben, das Projekt PlayTogether finanziell zu unterstützen. Mit genügend Spendern gelingt es dann hoffentlich ab 2020 die eigenständige Finanzierung langfristig abzusichern. Die vielen Besucher im ersten Jahr zeigen, wie wichtig ein solches Angebot ist. Wir haben eine Menge Potential und dem würde ich gerne gerecht werden. Mein Wunsch ist es, dass wir spätestens 2020 an fünf Tagen in der Woche geöffnet haben. Und es würde mich natürlich freuen, wenn wir dann auch die Stadt als Partner mit ins Boot holen könnten.
Lutz Schumann ist Projektmanager im sozialen Indoorspielplatz PlayTogether und kümmert sich um den laufenden Betrieb des Spielplatzes, um Förderanträge, Sachberichte, Öffentlichkeitsarbeit, PR, Kommunkation, Netzwerkarbeit. „Meine Mitarbeiter können mit allem zu mir kommen, was ihrer Arbeit im Weg steht.“, das ist ihm besonders wichtig.
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